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Unser Wahlprogramm wird durch konsequenten Realismus geprägt sein

Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Video- und Audio-Datei

Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, bevor ich zu der Sitzung des Parteivorstandes am vergangenen Samstag etwas sage, will ich zwei Bürgermeisterergebnisse kurz kommentieren. Wir hatten am Wochenende sowohl in Kiel als auch in Kleinmachnow Bürgermeisterwahlen.

Zum Kieler Ergebnis soviel: Ich meine, dass unser Kandidat mit 6,8 % ein beachtenswertes Ergebnis erzielt hat. In einer Situation, wo klar war, dass die Entscheidung zwischen dem SPD-Kandidaten und der amtierenden CDU-Oberbürgermeisterin fällt, sind diese 6,8 % ein Achtungsergebnis in einer Personenwahl. Er hat dort einen sehr engagierten Wahlkampf gemacht. Wir, hier im Karl-Liebknecht-Haus, sind mit dem Ergebnis zufrieden. Mein Glückwunsch geht an Herrn Albich. Herr Steinbrück wird dann wohl einen neuen Pressesprecher bekommen. Dass die SPD die CDU-Amtsinhaberin abwählen konnte, ist sicherlich auch beachtenswert.

Natürlich hat uns die Wahl in Kleinmachnow etwas mehr bewegt. Ich freue mich, dass es dort eine Stichwahl zwischen dem SPD-Kandidaten und unserem Kandidaten geben wird. Klaus-Jürgen Warnick wird dort in 14 Tagen in der Stichwahl sein. Vielleicht gibt es ja an einem nicht ganz leichten Ort - Kleinmachnow ist der Ort mit den meisten Restitutionsansprüchen - ein Ergebnis, was uns erfreuen kann.

Am Samstag hatten wir unsere Parteivorstandsitzung. Im Mittelpunkt der Sitzung standen die Einberufung des nächsten Bundesparteitages und eine erste Debatte zum Bundestagswahlprogramm. Wir haben also nunmehr offiziell den Wahlparteitag für den 20. und 21. Juni nach Berlin in die Max-Schmeling-Halle einberufen. Dort wird natürlich das Bundestagswahlprogramm im Mittelpunkt stehen. Der Termin ist 14 Tage nach 7 Kommunalwahlen und der Europawahl. Wir werden sicherlich dort eine ganze Menge guter Ergebnisse feiern können, jedenfalls gehe ich davon aus. Das Wahlprogramm wird - wie Sie das bei der LINKEN kennen - in einem langen und breiten demokratischen Prozess erarbeitet und diskutiert. Es wird so sein, dass die beiden Spitzenkandidaten, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, aber auch ich selbst, uns dort sehr engagieren werden, dass dieses Wahlprogramm durch konsequenten Realismus geprägt sein wird.

Wir haben die Situation, dass wir auch heute noch nicht ganz präzise wissen, wie die Lage im September sein wird. Deshalb haben wir uns bewusst bis zur Endfertigung des Leitantrages noch etwas Zeit gelassen. Wir werden bis April versuchen, die wahrscheinlich tiefste Wirtschaftskrise, in der wir stecken, dort mit einzuarbeiten. DIE LINKE sagt - und so wird es auch im Wahlprogramm stehen -, dass die Krise mit einem klaren sozialen Kurs überwunden werden muss. Es muss mehr öffentliche Gelder geben, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Es kann nicht bei Konjunkturpäckchen bleiben, wie das im Moment der Fall ist, auch wenn das die Bundesregierung immer wieder feiert. Ich kann nur wiederholen: Im sogenannten Konjunkturpaket 1 weiß kaum noch jemand, was darin stand. Beim sogenannten Konjunkturpaket 2 gibt es sehr sinnvolle Maßnahmen - ohne jeden Zweifel. Aber auch dort ist eine ganze Menge Mogelpackung, und es kommt zu spät und ist sozial nicht ausgewogen.

DIE LINKE - das wird das Wahlprogramm kenntlich machen - wird die Interessen der Beschäftigten, der Familien, der Rentnerinnen und Rentner und der Erwerbslosen in den Mittelpunkt stellen. Das dürfen nicht diejenigen sein, die die Zeche der Krise zahlen müssen. Für die Krise sollen diejenigen bezahlen, die sie verursacht haben. Wir werden nicht zulassen, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden. Wir fordern mit dem Wahlprogramm eine grundlegend neue Politik. Wir wollen, dass die große Koalition - die Bundesregierung - sich nicht in die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise flüchtet, sondern wir wollen die Themen, die uns wichtig sind, in den Wahlkampf mit einbringen und zur Abstimmung stellen. Da wird das Thema Arbeit ein zentraler Punkt sein: das Thema Leiharbeit, die Minijobs, deren Anzahl in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter angestiegen sind, aber auch Themen wie das Arbeitslosengeld I, wo wir eine entsprechende Verlängerung  fordern, öffentlich geförderte Beschäftigung und vieles andere mehr.

Das Thema Gesundheit wird ein zentrales Thema der Auseinandersetzung sein. Der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin soll nach unseren Vorstellungen nicht weiter gegangen werden. Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung muss reformiert werden, alle Berufsgruppen, alle Einkommensarten müssen einbezogen, die Beitragsbemessungsgrenze nach oben verschoben werden und vieles andere mehr. Auch Kinderarmut, das Thema Bildung, die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West  und das Thema Außenpolitik - das ganz zentral der Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan - werden eine Rolle spielen.

Nicht zuletzt will ich darauf verweisen, dass anders als andere Parteien wir auch sehr konkrete Vorschläge für die Finanzierung machen werden. Da wird nach unseren Vorstellungen das Thema Millionärssteuer eine wesentliche Forderung sein. Es kann nicht sein, dass wir zulasten der zukünftigen Generationen die Einkommen für das Jahr 2100 verfrühstücken. Das kann nicht so fortgeführt werden. Deshalb auch eine Millionärssteuer. Vielleicht wird ja das Thema Börsenumsatzsteuer, was noch vor einem Jahr eine Forderung allein der LINKEN war, zu einem Auseinandersetzungsthema.

Ich will darauf verweisen, dass wir nochmals unsere nachhaltige Unterstützung für die Demonstration am 28. März festgehalten haben. Dort wird in Frankfurt und in Berlin unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ demonstriert werden. DIE LINKE ist Teil dieses Bündnisses mit Attac und anderen. Wir haben unsere Mitglieder und Sympathisanten aufgerufen, und wir werden selbst mit Plakaten und vielen anderen Maßnahmen dort aktiv sein.

Von der Vorstandssitzung der letzte Punkt: Es gab eine Debatte zur Frage der Unterstützung des Berliner Bündnisses „Pro Ethik plus Religion“. Die Bundespartei unterstützt dort den Landesverband Berlin in großem Einvernehmen. Wir wollen diese Auseinandersetzung führen und wissen, dass es sich nicht um eine Berliner Angelegenheit handelt, sondern dass es eine bundespolitische Angelegenheit ist, wenn auch nur in Berlin eine Abstimmung stattfindet. Aus unserer Sicht ist die Berliner Lösung verteidigungswürdig, dass es einen verpflichtenden Ethik-Unterricht gibt und dass Religion ein freiwilliger Unterricht ist. Hier wird sich auch die Bundespartei engagieren, weil es um mehr als eine Auseinandersetzung in Berlin geht.

Eine letzte Bemerkung, die ich machen will: Wie an jedem Wochenende gab es aus der großen Koalition diverse Vorschläge: Mehrwertsteuersenkung seitens der CSU, nach den Beschlüssen in Europa das Thema Managergehälter, der Mindestlohn stand wieder auf der Agenda. Ich kann ein weiteres Mal nur feststellen, dass die Große Koalition nicht mehr das Land, sondern ausschließlich mit dem Blick auf den 27. September regiert. Hier wird versucht, zwischen SPD auf der einen Seite und den Unionsparteien auf der anderen Seite zu suggerieren, dass es Alternativen gibt. In der Praxis allerdings gibt es kaum noch oder gar keine Bewegung. Ich kann immer wieder nur feststellen: Das, was bei den Managergehältern herausgekommen ist, das ist ein Arbeitskreis, nicht etwa die Forderung, die auch z.B. von Herrn Steinbrück erhoben worden ist, bei 600.000 € eine Begrenzung einzuziehen. Das ist genauso bei dem Thema Mehrwertsteuersenkung. DIE LINKE sagt seit langem: Wir wollen auf Handwerkerleistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent. Wir sind auch der Auffassung, dass die bisherige Aufteilung  (0, 7, 19 Prozent) modifiziert werden müsste, weil bestimmte Sachen nicht erklärbar sind. Ganz klar: Hier muss gehandelt werden. Praktisch ist es aber so, dass alles auf den 27. September und danach verschoben wird. Es soll suggeriert werden, dass es hier große Alternativen gibt. Ich spreche da von Scheingefechten, die aufgeführt werden, damit man wirklich eine Alternative Steinmeier - Merkel suggeriert, die es so leider nicht gibt.

Damit will ich auch abschließen: Ich habe mit Interesse Herrn Müntefering wiederum gehört und habe Otmar Schreiner gelesen. Es ist schon interessant, wenn ich die Forderungen der SPD sehe, z.B. Mindestlohn, z.B. Börsenumsatzsteuer, und gleichzeitig vernehmen muss, dass sie diese dann in einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP durchsetzen wollen. Das ist schon widersprüchlich, denn dafür steht die FDP mit aller Klarheit nicht, um nur diese beiden Punkte zu erwähnen. Da wird es keine Umsatzsteuer geben. Wenn man das umsetzen will, gibt es nur eine Möglichkeit: Eine Börsenumsatzsteuer hat jetzt eine Mehrheit mit SPD, Grünen und der LINKEN im Deutschen Bundestag. Ich kann nur die SPD zum wiederholten Male auffordern, an der Sache Politik zu machen und nicht allein nach Farbenlehre. Ich glaube allerdings auch, dass das, was Otmar Schreiner gesagt hat, offensichtlich nur eine Einzelmeinung in der SPD ist.

Dankeschön.