Unter dem Druck der LINKEN haben andere ihr soziales Gewissen wiederentdeckt
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz am 16. Juni 2008 im Berliner Karl-Liebknecht-Haus:
Meine Damen und Herren,
heute ist der 1. Jahrestag der LINKEN. DIE LINKE hat heute Geburtstag, das ist ja bereits vielfach in Publikationen beschrieben worden. Ich glaube, wir können mit großem Stolz auf die einjährige Geschichte der Partei DIE LINKE zurückblicken. Wir haben am Wochenende das erste „Fest der Linken“ mit rund 10 000 Gästen in der Kulturbrauerei gefeiert. Es war ein wirkliches Fest im besten Sinne. DIE LINKE konnte feiern, dass wir uns als drittstärkste Kraft in der Bundesrepublik Deutschland etabliert haben. Wir können mit Stolz sagen, dass wir soziale Politik wieder in anderer Weise in dem Land verankert haben. Ich will nochmal wiederholen: DIE LINKE ist die einzige Partei, wo die Mitgliederzahlen steigen. Mehr als 3.000 neue Mitglieder konnten wir seit Jahresbeginn bei uns begrüßen, wir haben jetzt über 73.500 Mitglieder. Am Sonntag, um 10.00 Uhr, hatte ich mich hier mit neuen Mitgliedern getroffen, die aus dem ganzen Land hierher gekommen waren, das war hochinteressant.
Das Links wirkt, können wir an vielen Fakten festmachen. Unter dem Druck unserer Partei haben andere ihr soziales Gewissen wiederentdeckt. Ein bisschen erinnert mich das allerdings teilweise schon an die Geschichte vom Hase und Igel. Wir können so manches Mal, wenn neue Themen aufgerufen sind, sagen: „Wir sind all hier.“ Weil DIE LINKE entsprechende Vorschläge bereits gemacht hat. Insbesondere die SPD haben wir manches Mal zum Jagen tragen können. Zum Beispiel wurden die Vorschläge unserer Partei für gebührenfreie Betreuung und Bildung oder beitragsfreies Mittagessen für sozialbedürftige Kinder von der SPD jetzt aufgenommen, was wir begrüßen. Vor allem hoffen wir aber, dass sie dann auch in der Praxis umgesetzt werden.
An diesem Wochenende und wohl auch heute spielte bei der SPD das Thema Altersteilzeit eine besondere Rolle. Auch hier habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass die SPD Vorschläge, die von der LINKEN gemacht worden sind, aufnimmt. Es war noch vor gut einem Jahr so, dass das Thema „Rente mit 67“ von der SPD als alternativlos dargestellt wurde. Jetzt gibt es Vorschläge für einen flexibleren Übergang von Arbeitnehmern in den Ruhestand. Ich kann hier nur klar und deutlich sagen: Wir begrüßen das ausdrücklich. Wir haben einen entsprechenden Antrag im Deutschen Bundestag bereits vorgelegt. Ich kann jetzt schon ankündigen: Wenn die SPD ihre Pläne zur Altersteilzeit nicht selbst in den Deutschen Bundestag einbringt, werden wir das zur Abstimmung stellen. Numerisch wäre ja dort eine Mehrheit möglich. Ich kann nur hoffen, dass diese dann auch zum Tragen kommt. Wir als LINKE – das wissen Sie – haben auf dem Parteitag in Cottbus unsere Rentenkampagne gestartet. Da sind die Themen Altersarmut und Rente erst mit 67 Schwerpunkte. In diesem Zusammenhang spielen dann auch die Vorschläge zur Altersteilzeit eine Rolle. Ich freue mich, dass die SPD, das, was sie vor einem Jahr noch als Teufelszeug bezeichnet hat, nunmehr auf ihre Agenda nimmt.
Ein zweiter Punkt: Das ist die gesamte Frage sozialer Energiepreise. Auch da kann ich nur sagen: Ja, das Thema ist richtig und wichtig. Minister Gabriel hat ja hier für „Gradlinigkeit und Klarheit“ plädiert. Das hört sich sehr schön an und ist auch vernünftig. Allerdings spricht es nicht gerade von besonderer „Gradlinigkeit“, wenn in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages ein Antrag von uns zu sozialen Energiepreisen erst abgelehnt wird, und dann Wochen später öffentlich gefordert wird. Das ist nicht nachvollziehbar – sicherlich auch nicht für die Bevölkerung. Fakt ist: Die Energiefrage wird zu einer zentralen Frage in diesem Jahrhundert werden, und zwar in sehr unterschiedlichen Facetten. Wir können das nur unterstützen, wenn dieses Thema eine besondere Rolle spielt, weil es auch eine soziale Frage – vielleicht sogar die soziale Frage dieses Jahrhunderts wird.
Lassen Sie mich zum Geschäftsführenden Vorstand folgende Dinge erwähnen: Wir haben natürlich in besonderer Weise das Jubiläum der LINKEN und andere aktuelle Fragen beraten. Wir haben entschieden, dass es am 5. und 6. Juli eine Klausurtagung des neu gewählten Parteivorstandes am Wannsee hier in Berlin geben wird. Da werden wir uns zwei Tage lang auf der Grundlage des beschlossenen Leitantrages zu den Aufgaben bis zu den Bundestagswahlen verständigen.
Ich will eine Bemerkung machen, weil auch das eine Rolle spielte: Am nächsten Wochenende gibt es in Sachsen diverse Stichwahlen. Mich freut, dass es zumindest einen Aspekt gibt, der über Dresden hinauswirken könnte. Es gibt ja seitens diverserer SPD-Abgeordneter des Landtages in Sachsen und auch von SPD-Bundestagsabgeordneten eine öffentliche Unterstützung für unseren Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl Klaus Sühl. Ich finde, das ist ein wichtiges Signal. Bisher war es so, dass derartige Unterstützung eher sehr leise erfolgt. Jetzt ist das bewusst und aktiv öffentlich gemacht worden. Das begrüße ich ausdrücklich. Vielleicht können wir – SPD und LINKE gemeinsam - in Sachsen an der einen oder anderen Stelle einen Landratsposten oder auch Bürgermeisterposten gewinnen.
Lassen Sie mich als letztes eine Bemerkung zu dem Thema Bundespräsidentenwahl machen: Ich möchte die Position, die mehrfach seitens meiner Partei und aller Vorsitzenden geäußert worden ist, klar und deutlich wiederholen: Es gibt keine Entscheidung bei der LINKEN. Wir werden eine Entscheidung in den Gremien erst nach der Bayern-Wahl treffen. Natürlich wird dieses Thema auch bei der von mir gerade angekündigten Klausur eine Rolle spielen. Ich finde es hochproblematisch, wenn – von wem auch immer, ob aus meiner Partei oder von anderen – KandidatInnen einfach mal so in die Öffentlichkeit gebracht werden. Das ist nicht zu akzeptieren. Die Achtung vor den genannten Persönlichkeiten gebietet eigentlich, dass man das nicht tut. Dennoch ist es geschehen, nicht durch unser, jedenfalls nicht durch mein Dazutun – das kann ich definitiv sagen. Alle Personalspekulationen in den Medien vom Wochenende sind wirklich Quatsch, und ich kann nur hoffen, dass dies nicht fortgesetzt wird. Unsere Position bleibt: Nach der Bayernwahl gibt es eine Entscheidung. Ich habe auch hier schon gesagt, dass die Äußerungen von Frau Schwan im Spiegel nicht unbedingt hilfreich waren. Wenn man eine Partei so kritisiert, dass man sagt, die diese nicht zukunftsfähig sei und insgesamt auch wenig Gutes an uns lässt – das ist für die Gewinnung von Stimmen nicht förderlich. Das ist ganz klar. Aber, wie schon gesagt, gibt es nach September eine Entscheidung seitens der LINKEN.