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Lukrezia Jochimsen

Wir dulden Antisemiten nicht!

Dr. Lukrezia Jochimsen (Fraktion DIE LINKE) in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben wieder einmal eine Gleichsetzung von rechtsextrem und links erleben müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es doch! - Das ist völlig in Ordnung!)

Ich finde das in diesem Haus nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gerade in diesem Hohen Haus erlebt, dass ein empörendes Zeichen hochgehalten wurde, gegen das die Linke Strafanzeige erhoben hat.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist aus Ihrer Partei! - Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist nicht aus unserer Partei! Machen Sie sich mal kundig! - Gegenruf des Abg. Michael Kretschmer (CDU/CSU): Es ist auf Ihrer Homepage!)

Es ist fälschlicherweise auf die Website gekommen, und wir haben Strafanzeige dagegen erhoben.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Was heißt denn "fälschlicherweise"? Wie kommt denn fälschlicherweise etwas auf die Homepage?)

Hier ist von dem Einsatz für die Freilassung des Soldaten Schalit gesprochen worden. Darf ich Sie alle daran erinnern, wer in diesem Haus zuerst einen solchen Antrag gestellt hat?

(Beifall bei der LINKEN)

Es war die Fraktion Die Linke. Darf ich Sie daran erinnern, dass es Ihre Fraktion war, die gesagt hat: "Mit der Linken zusammen machen wir einen solchen Antrag in diesem Parlament nicht"?

(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Aus gutem Grund! - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Genau so war es!)

Das zeigt Ihre Doppelmoral und Ihren Umgang mit der Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Nein, wir brauchen uns nicht von irgendetwas abzukehren.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Bekennen Sie sich einmal!)

Unsere Parteispitze hat eine klare Haltung zu Antisemitismus und antiisraelitischen Positionen.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Natürlich! - Zuruf von der SPD: Da haben wir wohl etwas verpasst!)

Wir haben genug Belege. Ich könnte es Ihnen jetzt einfach machen und sagen, dass es eine Unverschämtheit ist, dass ausgerechnet die CDU von Globke, Filbinger, Kiesinger und Oettinger und die FDP von Mende und Möllemann uns antisemitische und israelfeindliche Positionen vorwerfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich könnte es auch uns einfach machen und die Unwahrheiten, die Halbwahrheiten, die Verdrehungen und die fehlenden Belege des von Ihnen als wissenschaftliche Untersuchung bezeichneten politischen Positionspapiers

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist wie bei zu Guttenberg! So wissenschaftlich!)

aufzählen und beschreiben.

Ich nenne Ihnen nur ein einziges Beispiel. Wolfgang Gehrcke, mein Kollege, wird in diesem Papier im Zusammenhang mit einem Buch angegriffen. Es heißt, dieses Buch enthalte antizionistischen Antisemitismus. Wolfgang Gehrcke hat in diesem 2009 erschienenen Buch ein Fazit geschrieben, das ich Ihnen jetzt mit Erlaubnis des Präsidenten vorlese:

Der Holocaust, die Verbrechen des deutschen Faschismus und seiner Helfer, der Mitläufer und Weg-Seher, begründet das besondere, nicht auflösbare Verhältnis Deutschlands zu Israel. Nach dem Holocaust hätte die Linke verstehen müssen, dass der Zionismus mit seinem konkreten Ziel der territorialen Eigenständigkeit eine angemessene Antwort auf das fundamentale Bedürfnis des über Jahrhunderte verfolgten jüdischen Volkes nach Sicherheit war.

Das soll ein Beweis für die antisemitische, antizionistische Haltung des Kollegen Gehrcke, des Autors Gehrcke und damit der Linksfraktion sein?

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Danke! - Dr. Stefan Ruppert (FDP): Eine verpasste Chance! Schade! Sie hätten sich jetzt distanzieren können!)

Es ist vielleicht nur ein Aperçu am Rand der Geschichte: Am 16. Dezember 2009 hat der Botschafter des Staates Israel Herrn Gehrcke einen Brief geschrieben, in dem stand:

Den Jahreswechsel habe ich zum Anlass genommen, Ihnen zu Ehren einen Baum im Wald der deutschen Länder in Israel pflanzen zu lassen. Ich hoffe, Ihnen damit eine Freude bereitet zu haben.

Wissen Sie: Sie führen eine wissenschaftliche Untersuchung an, und dies ist die Wahrheit.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Ja! - Manfred Grund (CDU/CSU): Aha! Und Sie wissen das? Sie kennen die Wahrheit?)

So gehen Sie hier im Parlament mit uns um, nur um Stimmungsmache zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ach! Das machen Sie schon selber! Da brauchen wir doch gar nichts zu tun! - Manfred Grund (CDU/CSU): Das Wahrheitsmonopol haben Sie heute nicht mehr! Das hatten Sie in der DDR!)

Ich sage Ihnen noch etwas anderes: Für mich ist das große gesellschaftliche Problem des Antisemitismus in Deutschland zu bedrängend und zu ernst, um es im Parlament mit dem üblichen Politreflex zu behandeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Linke eine Grundposition vertritt, die bedeutet, gegen jede Form des Antisemitismus in der Gesellschaft vorzugehen. Außerdem haben wir ein für alle Mal beschlossen - ich zitiere -,

… dass Deutschland wegen der furchtbaren Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und gegen jede Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg hat. Diese Verantwortung ist nicht relativierbar; sie schließt das Bemühen um einen palästinensischen Staat und die Garantie des Existenzrechtes Israels ein.

Die Linke vertritt diese Position nach innen: Boykottaufrufe sind in unseren Augen nicht hinnehmbar,

(Beifall bei der LINKEN)

und wir dulden Antisemiten nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach! Das glauben doch noch nicht mal Ihre eigenen Funktionsträger, was Sie da erzählen!)

Die Linke vertritt diese Position auch nach außen, indem wir auf Demonstrationen, mit Tausenden von Aktionen, in parlamentarischen und außerparlamentarischen Gruppen, in Büchern und Vorträgen Gesicht zeigen.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und was war jetzt mit Shimon Peres?)

Es gibt in unserer Gesellschaft Antisemiten, und zwar nicht wenige. Warum ist das so? Weil in unserer Gesellschaft immer noch und immer wieder antisemitische und rassistische Haltungen aufbrechen; die Vorredner haben es erwähnt. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser gemeinsames Problem.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein! Sie sind das Problem!)

Dagegen müssen wir vorgehen. Betreiben wir aber bitte nicht, wie es aktuell geschieht, aus parteipolitischem Kalkül und mithilfe von Pseudowissenschaft eine oberflächliche Stimmungsmache, nur um den Ruf einer Partei zu schädigen.

(Beifall bei der LINKEN - Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Das machen Sie doch selbst! - Dr. Stefan Ruppert (FDP): Ich bin fassungslos! Sie haben wieder eine Chance vertan!)