Wir gehen nach Cottbus mit großem Optimismus
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz am 19. Mai 2008 im Berliner Karl-Liebknecht-Haus
Guten Tag! Sie gestatten mir, bevor ich auf die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes eingehe, ein paar Bemerkungen zu den gestrigen Wahlen, insbesondere auch deshalb, weil ich aus dem schönen Land Mecklenburg-Vorpommern komme und wir dort zumindest einige beachtenswerte Erfolge erreicht haben. Ich freue mich, dass es unsere Landrätin Bärbel Syrbe im Landkreis Ostvorpommern, sie ist sieben Jahre im Amt, im ersten Wahlgang geschafft hat, ein Ergebnis von 44,7 Prozent zu erzielen und damit vor ihrem Mitbewerber der CDU liegt. Wir gehen optimistisch in die Stichwahl am 1. Juni. Das trifft genauso zu für die Landratswahlen im Landkreis Demmin, wo der Kandidat der LINKEN und der CDU etwa gleichauf liegen. Auch hier rechnen wir uns gute Chancen für die Stichwahl aus. Dabei ist Demmin bisher nicht unbedingt bekannt als linke Hochburg, dort veranstaltet Frau Merkel immer ihren Politischen Aschermittwoch. Dazu kommt, dass wir sowohl in Stralsund, dem Wahlkreis von Frau Merkel, als auch im schönen Städtchen Wolgast in die Stichwahl zum Oberbürgermeister gekommen sind. Diese kleinen optimistischen Nachrichten von gestern Abend haben zu Beginn kurz die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes meiner Partei geprägt.
Es war heute die letzte Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandes vor dem Parteitag in Cottbus. Wir werden in Cottbus und auf der konstituierenden Vorstandssitzung nach dem Parteitag dann einen neuen Geschäftsführenden Vorstand wählen. Ich gehe davon aus, dass es nicht so sehr viele Veränderungen geben wird.
Wir gehen nach Cottbus mit großem Optimismus. Das Jahr, das der Geschäftsführende Vorstand zu verantworten hat, war ein sehr erfolgreiches für meine Partei DIE LINKE. Wir konnten heute noch einmal konstatieren, dass vom Gründungsparteitag am 16. Juni vorigen Jahres bis zum 30. April 2008 ca. 10.000 neue Mitglieder in unsere Partei gekommen sind. Wir haben die politische Agenda des Landes wesentlich geprägt. Das trifft für Themen wie Mindestlohn, Angleichung Arbeitslosengeld II, Bildungschancen für Kinder und vieles andere mehr zu.
Was die Kandidaturen betrifft, bewegen wir uns jetzt bei den Bewerberinnen und Bewerbern auf die Zahl 60 zu. Ich gehe davon aus, dass diese Zahl bis zum Parteitag noch steigt. Inzwischen gibt es auch auf der Frauen-Liste mehr Bewerberinnen, als Plätze. Sie wissen, wir wählen 44 Parteivorstandsmitglieder.
Den Leitantrag kennen Sie, den habe ich hier an dieser Stelle schon vorgestellt. Natürlich gibt es, wie es sich gehört für eine lebendige Partei, Änderungsanträge, über die die Delegierten des Parteitages entscheiden werden.
Lassen Sie mich eine dritte Bemerkung zum aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht machen. Der wird zwar erst heute Nachmittag veröffentlicht, aber Herr Scholz hat ja via „Bild am Sonntag“ die ersten Fakten bekannt gemacht. Ich will dazu feststellen, dass wir als Partei DIE LINKE uns zu diesen Dingen mehrfach geäußert und Armutsrisiken benannt haben. Letztlich ist auch dieser Bericht ein Stück weit Offenbarungseid der Großen Koalition. Das, was dort festgeschrieben ist, ist Ergebnis von Politik. Es ist nicht zuletzt auch Ergebnis von sieben Jahren Rot-Grün und drei Jahren Großer Koalition. Die SPD ist seit zehn Jahren in Regierungsverantwortung. Wer sich jetzt an dieser Stelle hinstellt und bedauert, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird in Deutschland, der ist aus meiner Sicht zumindest ein klein wenig doppelzüngig. Ich glaube, man muss der SPD hier doppeltes, mehrfaches Versagen vorwerfen. Es ist so, dass insbesondere die Entscheidungen, die zum 1. Januar des vorigen Jahres wirksam geworden sind, dazu beigetragen haben – also die Kürzung der Pendlerpauschale, die Reduzierung des Kindergeldes, die Erhöhung der Mehrwertsteuer, auch die Reduzierung des Sparerfreibetrages – das alles hat damit zu tun. Aber die Entscheidungen der rot-grünen Regierung zur Hartz-Gesetzgebung mit Mini-Jobs und Lohndumping das alles sind Ursachen dafür, dass wir in Deutschland die Situation haben, dass nach zehn Jahren SPD-Regierung die Zahl der Kinder in Armut auf 2,5 Millionen gestiegen ist. Der eigentliche Skandal ist, dass auf der anderen Seite im gleichen Zeitraum der Reichtum in Deutschland verdoppelt hat. Die Zahl der Vermögensmillionäre liegt inzwischen fast bei 800.000.
Der Skandal ist, dass die Regierung die Banken und Konzerne mehrfach steuerlich entlastet hat. Der Anteil der Unternehmenssteuern am Gesamtsteueraufkommen ist immer weiter zurückgegangen. Die Lohnsteuern machen zunehmend den größeren Anteil aus. Die jüngste Steuerreform, die zum 1. Januar wirksam geworden ist, hat den Banken und Konzernen ca. 10 Milliarden geschenkt.
Unsere Position ist ganz klar und eindeutig. DIE LINKE sagt: Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn, wir kämpfen gegen Lohndumping, Mini-Jobs und 1-Euro-Jobs. Ein gesetzlicher Mindestlohn von mehr als 8 Euro trägt zumindest ein wenig dazu bei, dass diese Armutslöhne, dass diese Art der Ausbeutung mit über 1 Million Aufstockern, beendet werden kann. DIE LINKE fordert seit langem, dass die Regelsätze für Hartz IV auf 435 Euro angehoben werden. Auch das wäre ein Beitrag, die Armut in Deutschland zu bekämpfen. Und das im Übrigen alles vor dem Hintergrund, dass im Bundestag nach wie vor die Frage der Diätenanpassung debattiert wird. DIE LINKE sagt eindeutig: Eine Diätenerhöhung ist das falsche Signal. Wir lehnen dies ab.
Ich will eine letzte Bemerkung machen, die mit dem großen Reformprojekt der Großen Koalition – der Gesundheitsreform – zusammenhängt. Wir werden mit dem 1. Januar 2009, wenn der Gesundheitsfonds eingeführt wird, ein weiteres Problem haben: Hier geht es nicht nur um mehr Bürokratie, sondern vor allem um die Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin. Letztlich in einem Satz: Das, was jetzt schwarz auf weiß im Armutsbericht ausgewiesen ist, hat DIE LINKE seit langem angemahnt. Wir werden in den Parlamenten und außerparlamentarisch weiter dafür kämpfen, dass die Umverteilung von unten nach oben nicht fortgesetzt wird, sondern ein Politikwechsel eingeleitet wird.