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Martin Schirdewan

Öffentlicher Nahverkehr für alle statt Straßenpanzer für Wenige!

In sieben Schritten für eine soziale Verkehrswende und kostenfreien Nahverkehr in Europa

Die rechten und konservative Parteien machen Stimmung gegen die Verkehrswende. Wir wissen, dass wir von der AfD nur Klimaleugnung erwarten können. Aber jetzt machen CDU, FDP und auch das BSW mit verlogenen Argumenten gegen das Verbrenner-Aus Stimmung – weil sie glauben, damit Wahlen gewinnen zu können. Mit ihren Lügen lenken sie von den nötigen Lösungen ab. 

Die Ampel-Parteien machen zwar Klimapolitik – aber nur solange es Reichen und Konzernen nicht weh tut und ohne soziale Gerechtigkeit, auf Kosten der Menschen mit geringen und normalen Einkommen.  Die EU hat nach starken Druck mit dem europäischen Green Deal angefangen, Klimaschutz auf die Agenda zu setzen. Aber der Fokus liegt darauf, den CO2-Preis zu erhöhen, aber selbst das versprochene Klimageld lässt weiter auf sich warten. Der CO2-Preis wird keine ausreichende Lenkungswirkung haben: Reiche, die mit Privatjets fliegen oder ein Drittauto haben, können es sich leisten, den CO2-Preis zu bezahlen, ohne ihr Verhalten zu ändern. Die große Mehrheit der Menschen mit weniger Geld sind auf funktionierende Alternativen angewiesen, um vom Auto umzusteigen. Wer auf dem Land wohnt weiß: Dort fährt kaum ein Bus. Alle, die aufs Auto angewiesen sind bleiben auf der Strecke. Viele treffen die Preiserhöhungen existenziell.

Schluss damit. Der Verkehr ist für 25% der ausgestoßenen Treibhausgase in Europa verantwortlich. Verkehr ist der Sektor, in dem die Emissionen steigen und nicht sinken. Gleichzeitig heißt Mobilität für viele jetzt schon Stress: BerufsverkehrimStau, Abgase und Lärm, hohe Preise – und bei vielen fahren Bahn und Bus nie oder zu selten. Der Handlungsdruck ist groß. Wir streiten für eine echte Verkehrswende, sozial gerecht und im Sinne aller, die bisher auf der Strecke bleiben: Für die Beschäftigten in der Automobilindustrie und alle, die bisher auf ihr Auto angewiesen sind und sich kein E-SUV leisten können.

Wir schlagen sieben Schritte vor, mit denen wir jetzt eine soziale Verkehrswende starten können. Die Verkehrswende muss zum Mittelpunkt des Green New Deal werden. Verkehrswende, das heißt öffentliche Nahverkehr statt private Straßenpanzer. Wir wollen Milliarden Investieren für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Bahn in Europa – hin zum Nulltarif im Nahverkehr und mit günstigen Preisen im Fernverkehr. Dazu braucht es die Umverteilung der Profite und Investitionen für den Umbau der Automobilindustrie, hin zu den benötigten (Straßen-)Bahnen und Bussen – und kleinen, leichten E-Autos.

1. Straßenbahnen statt Straßenpanzer

Die Transformation der Autoindustrie betrifft Hunderttausende Beschäftigte in Europa. Dutzenden Betrieben der Zuliefererindustrie in Deutschland droht bereits die Schließung, weil sie Teile für Verbrennermotoren produzieren. Die Autoindustrie produziert immer größere und schwerere (E-)Autos. Insbesondere die deutschen Autokonzerne setzen auf E-Autos im Premiumsegment (E-SUVs). Die sind profitabel für die Aktionäre, aber krasse Ressourcenverschwendung und viel zu teuer für die meisten Menschen. Mittlerweile ist jedes dritte neu-zugelassene Auto in Deutschland ein SUV. Mit diesem kurzfristigen Blick setzt die deutsche Autoindustrie ihre eigene Zukunft aufs Spiel, denn chinesische und französische Konzerne produzieren bereits kleine und bezahlbare E-Autos. Die Politik muss jetzt eingreifen und die Weichen für die Zukunft stellen: Die (deutsche) Autoindustrie muss verpflichtet werden, kleine und billige E-Autos zu produzieren – sonst werden Arbeitsplätze gefährdet. Wir fordern ein EU-weites Verbot von Neuzulassungen von Neuwägen über 2-Tonnen - selbstverständlich mit Ausnahmen für besondere Bedarfe wie Transporter, Familienkutschen oder Camper.

Es ist klar, dass die Gesellschaft in Anbetracht von Klimakrise und Ressourcenknappheit weniger Autos produzieren muss. Das heißt, wir müssen die Produktion ganzer Fabriken umstellen. Für die Mobilitätswende werden. Wir setzen dafür ein, dass die Konversion und der Aufbau von (auch öffentlich betriebenen) Produktionsstätten für E-Busse und Schienenfahrzeuge durch die EU unterstützt wird. Durch einen europaweiten Ausbauplan für die Verkehrsinfrastruktur entsteht Sicherheit – das ermöglicht zudem gerechte Übergänge und eine Konversion gemeinsam mit den Beschäftigten. Dadurch werden Kapazitäten aufgebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Wenn es staatliche Investitionshilfen für die Konzerne gibt, müssen sie genutzt werden, um öffentliches Eigentum, Mitbestimmung und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.

2. Öffentlichen Nahverkehr ausbauen in ganz Europa

Wir müssen Milliarden Investieren in mehr Linien, Barrierefreiheit und einen dichteren Takt. Das sagen viele - wir meinen es ernst: Die Kommunen müssen von der EU und den Mitgliedstaaten die finanziellen Mittel erhalten, um den Ausbau voranzutreiben. Wenn wir die öffentlichen Verkehrsmittel jetzt schnell ausbauen, sind in zehn Jahren viele Menschen nicht mehr auf das Auto angewiesen und der Autoverkehr kann halbiert werden. In Städten kann das Auto weitgehend überflüssig werden – dann fahren in den Innenstädten nur noch Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Rettungsfahrzeuge und Lieferwagen – und die Städte werden attraktiver für alle, mit sauberer Luft, weniger Lärm und weniger Verkehrsunfällen. Notwendig ist zudem der Ausbau von Stadt-Umland Verbindungen für Pendler*innen.

Auf dem Land müssen die Öffis zur realistischen Alternative für einzelne Fahrten werden. Dafür müssen wir Bahnstrecken zweigleisig ausbauen und elektrifizieren. In den letzten 30 Jahren wurden Tausende Kilometer Bahnstrecken vor allem in ländlichen Regionen, oftim Osten stillgelegt – diese könnten reaktiviert werden und dazu beitragen, die Bahn (wieder) in die Fläche zu bringen. In Deutschland fordern wir eine

3. Kostenfreier Nahverkehr in ganz Europa

Wir setzen uns ein für kostenlosen Nahverkehr in der ganzen EU. Für niemanden soll Mobilität am Geld scheitern. Und für alle soll es attraktiv sein, Öffis statt Auto zu nutzen. Das ist die beste Klima- und Sozialpolitik im Verkehr, denn kostenlose Öffis sind eine direkte Entlastung beim Weg zur Arbeit oder beim Wochenendausflug. Ticketkontrollen und Strafen wegen Fahren ohne Fahrschein entfallen, das entlastet die Menschen ebenso wie die Gerichte. Mitgliedstaaten können den Klima-Sozial Fond dafür nutzen, den öffentlichen Nahverkehr zu vergünstigen. Wir wollen einen Schritt weitergehen: Der Klima-Sozial Fond muss so weit aufgestockt werden, dass die Mitgliedstaaten damit einen kostenfreien oder zumindest deutlich günstigeren Nahverkehr in ganz Europa ermöglichen können.

Bis dahin braucht es sofort konkrete Schritte. In Deutschland hat das 9€-Ticket gezeigt: Kostenloser Nahverkehr ist keine Träumerei, sondern wäre sofort möglich. Doch das 49€-Ticket war ein unnötiger Schritt zurück, sein Erfolg zeigt aber, dass die Menschen bereit sind umzusteigen, wenn öffentlicher Nahverkehr bezahlbar ist. Die Bereitschaft ist so groß, dass Regionalzüge mittlerweile oft überfüllt sind – denn die Preise im Fernverkehr sind insbesondere für die Gelegenheitsfahrer*innen unverschämt hoch. Um das 49€-Ticket attraktiver zu gestalten fordern wir deshalb sechs jährliche Freifahrten im Fernverkehr für alle 49€-Ticket Abonnent*innen. Um öffentliche Verkehrsmittel für junge Menschen attraktiver zu machen, wollen wir für sie ein landesweitesKlimaticket wie in Österreich. Dort bekommen alle 18 jährigen zum Geburtstag ein Gratisticket mit dem ein Jahr lang Busse und Bahnen kostenfrei genutzt werden können.

4. Öffentlichen Nahverkehr ohne Profite!

Die neoliberale Politik in der EU treibt die Privatisierung mit der Pflicht zu europaweiten Ausschreibungen voran. Das wollen wir stoppen. Das bessere Angebot entsteht, wenn der Bus gemeinwohlorientiert durch kommunale Dienstleister betrieben wird – anstatt durch profitorientierte Unternehmen. Wenn schon Ausschreibungen, dann müssen diese an Tarifverträge, soziale und ökologischeKriterien gekoppelt sein. Die Kommunen und Länder müssen den Nahverkehr ohne Kostendruck betreiben können: Überall, wo der öffentliche Nahverkehr privatisiert wurde, setzen wir uns für die Rekommunalisierung ein. Die EU muss einen Fonds bereitstellen, auf den Kommunen zurückgreifen können, um den ÖPNV zu re-Kommunalisieren. Denn der Nahverkehr gehört in öffentliche Hand, ausgerichtet an den Bedürfnissen von Nutzer*innen und Beschäftigten!

5. Gute Fahrt mit guter Arbeit

Fachkräftemangel und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten dürfen nicht mehr gegen den Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel und Fahrpreissenkungen ausgespielt werden. Es ist klar, wenn wir den öffentlichen Nahverkehr ausbauen wollen, braucht es attraktive Arbeitsplätze in Bussen und Bahnen. Schlüssel hierfür sind Entlastung für die Beschäftigten, höhere Löhne, Zuschläge für ungünstige Arbeitszeiten, eine breite Ausbildungsoffensive und Tarifverträge. Wenn die Tätigkeiten gut entlohnt und langfristig abgesichert sind, kann ein Wechsel in den öffentlichen Nahverkehr auch für Beschäftigte interessant sein, deren Tätigkeiten in anderen Branchen in Umbau des Verkehrs möglicherweise entfallen.

6. Klimaschädliche Subventionen endlich EU-weit abschaffen

Die EU fördert immer noch den Ausbau klimaschädlicher Infrastruktur über die TEN-T, den europäischen Verkehrswegeplan. Dabei sollte klar sein: Wir brauchen keine neuen Autobahnen und Flughäfen, wenn wir Klimaschutz ernst meinen. Wir wollen diese Subventionen umlenken und stattdessen massiv in den Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel investieren. In Europa wollen wir die Milliardensubventionen für Flugbenzin und in Deutschland das Dienstwagenprivileg abschaffen. Diese Subventionen sind ungerecht, denn wer wohlhabend ist, wer viel reist und große, schwere Autos fährt, profitiert viel stärker davon. Wenn die klimaschädlichen Subventionen abgeschafft werden, kann mit dem Geld der Ausbau des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs finanziert werden, wovon besonders Menschen mit geringeren Einkommen profitieren. So geht die Verkehrswende sozial gerecht.

7. Den Ausbau des ÖPNV finanzieren

Ohne den massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wird die Verkehrswende in Europa nicht gelingen. Die EU muss den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zum Herzstück des European Green Deals machen und aus Mitteln des Next Generation EU unterstützen. Zudem müssen die starren Schuldenregeln aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt endlich der Realität angepasst werden: Investitionenin die Klimaschutz und soziale Infrastruktur müssen vom Schuldenverbot ausgenommen werden. Die Investitionen in den öffentlichen Verkehr bilden das soziale Fundament für eine zukunftsfähige Gesellschaft – jeder Euro, den wir jetzt investieren, lohnt sich.

Um den zusätzlichen Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs langfristig zu finanzieren fordern wir EU-weit die (Wieder-)Erhebung von Vermögensteuern – laut Oxfam könnte eine EU-weite Vermögensteuer von 2% bis 5% jährlich bis zu 286 Milliarden Euro einbringen. In Deutschland könnten damit mindestens 94 Milliarden Euro eingenommen werden – Einnahmen, die den Ländern und Kommunen zugutekommen.


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