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Rassismus effektiv und an der Wurzel bekämpfen!

6 Punkte für Teilhabe und Diskriminierungsschutz

In Politik und Gesellschaft hat das Video, in dem junge wohlhabende Menschen in einem Club völlig unbehelligt lautstark rassistische Parolen grölen, viele schockiert und auch die jüngsten Vorfälle rassistischer Gewalt, wie der Übergriff auf zwei Schwarze Mädchen und ihren Vater im mecklenburgischen Grevesmühlen, zeigen deutlich, dass Rassismus in allen Bevölkerungsschichten ein Problem ist, in Ost und West, und dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Aber die Ampelregierung legt keinen Plan vor, wie gegen Rassismus vorgegangen werden kann, ob im Alltag oder auf struktureller Ebene. Keine einzige Maßnahme wurde angekündigt oder gar umgesetzt. 

Dabei ist längst bekannt, dass sich Rassismus durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht und etliche Studien belegen, dass Rassismus auch auf struktureller und institutioneller Ebene angegangen werden muss. Der letzte Rassismusmonitor des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat außerdem ergeben, dass rassistisch markierte Menschen ein deutlich höheres Armutsrisiko haben.
Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zählt allein für den Bereich rassistisch motivierter Gewalt knapp 1500 Fälle im Jahr 2023. Die Übergriffe sind damit gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel gestiegen und bedeuten über vier rassistische Übergriffe täglich in Deutschland. Auch laut Bundeskriminalamt sind Straftaten gegen Asylsuchende um 75 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 2.488 Taten angestiegen. Wir erleben eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen, die von Beleidigungen bis hin zu körperlichen Angriffen und Anschläge auf Synagogen reichen. Auch antimuslimisch motivierte Vorfälle sind aktuell auf dem Höchststand, wie die bundesweite Meldestelle CLAIM-Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit vermeldet. Gleiches gilt für Antiziganismus und Anti-Schwarzen Rassismus.  
Aber statt endlich effektiv dagegen vorzugehen und vorliegende zivilgesellschaftliche Forderungen umzusetzen, bestimmen rassistische Migrationsdebatten den öffentlichen Diskurs. Daran beteiligt sich auch führendes Personal der Ampelkoalition. Etliche Gesetzesverschärfungen wurden durch den Bundestag gebracht, wie das neue ‚Rückführungsgesetz‘, die stigmatisierende Bezahlkarte für Geflüchtete oder auch die Unterstützung der Bundesregierung für das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das die Inhaftierung selbst von Familien und Kindern an den EU-Außengrenzen ermöglicht.

Dem stellen wir uns entgegen! Unser Leitprinzip ist Solidarität und der Kampf für eine gleichberechtigte und sozial gerechte Einwanderungsgesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Chancen haben und keine Ausgrenzung herrscht. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich konsequent gegen Rassismus vorzugehen und folgende Maßnahmen umzusetzen.
  
1. Langfristige Förderung von demokratischem Engagement absichern


Zivilgesellschaftliche Akteur*innen, Beratungseinrichtungen, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, Antidiskriminierungsverbände und Migrant*innenselbstorganisationen leisten durch ihre tägliche Arbeit einen immensen Beitrag im Kampf gegen Rassismus und den Schutz von Opfern. Dennoch müssen sie oft unter prekären Bedingungen arbeiten und um ihre Finanzierung bangen, da eine Strukturförderung nicht gewährleistet ist. 
Um ihre wichtige Arbeit gegen Rassismus und für unsere Demokratie abzusichern, muss ein effektives Demokratiefördergesetz her. Ein bestehender aber noch verbesserungswürdiger Gesetzentwurf steckt im parlamentarischen Verfahren fest. Diese Blockade muss endlich beendet werden, damit bundesweit flächendeckend Beratungs- und Unterstützungsstrukturen arbeiten können.


2. Diskriminierungsschutz durch Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes stärken 

Die von der Ampelkoalition versprochene Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) muss endlich kommen und vor allem umfassend sein. Das AGG weist etliche Lücken im Diskriminierungsschutz auf, da Klagefristen zu kurz sind, es kein Verbandsklagerecht enthält, Diskriminierungsdimensionen fehlen, zu viele Ausnahmen eine Entschädigungspflicht ausschließen und vor allem öffentliches Handeln nicht umfasst ist. So kann effektiver Schutz vor rassistischer und anderer Formen von Diskriminierung nicht gelingen. Daher muss endlich eine umfassende Reform, die die Forderungen des zivilgesellschaftlichen „AGG-Reform-Jetzt!“-Bündnisses aufgreift, vorgelegt werden.


3. Racial profiling stoppen und Diskriminierung durch Behörden entgegenwirken 


Eine wesentliche Form von strukturellem Rassismus sind anlasslose Polizeikontrollen, die vor allem migrantische und rassistisch markierte Menschen treffen, weil Polizeigesetze anlasslose Kontrollen ermöglichen. Daher müssen die Befugnisse zu anlasslosen Polizeikontrollen aus dem Bundespolizeigesetz und allen Landespolizeigesetzen gestrichen werden. 
Um rassistische Praktiken zu verhindern, sollten zudem alle Behörden diskriminierungskritisch beraten werden und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu Antidiskriminierungsschulungen verpflichtet sein, vor allem auf Führungsebene, wie es das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz beispielsweise schon vorsieht. Gerade in Bildungseinrichtungen wie Schulen ist wichtig, dass sie diskriminierungssensibel aufgestellt sind und pädagogisches Personal divers und diskriminierungskritisch geschult ist und es ausreichend Anlaufstellen für Betroffene gibt. Schulordnungen und Rahmenlehrpläne müssen daher diskriminierungskritisch überarbeitet werden.

4. Teilhabe durch Wahlrecht – Einbürgerungen unabhängig vom Einkommen sichern


Rassismus wird auch entgegengewirkt durch Ermöglichung von Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrung, die immer noch von wesentlichen Rechten ausgeschlossen werden. 
Zwar hat die Einbürgerungsreform Verbesserungen gebracht, aber die wesentliche Hürde der Einkommensvoraussetzungen wurde weder abgeschafft noch herabgesetzt, sondern sogar noch verschärft. So haben von Armut betroffene Menschen schlechte Chancen auf Einbürgerung. 
Wir fordern daher eine Einbürgerung unabhängig vom Einkommen, ohne Sprachtests und zurecht als Schikane empfundene Einbürgerungstests! Auch das Wahlrecht hängt von der Einbürgerung ab. Wir wollen das ändern und fordern ein Wahlrecht auf allen Ebenen für alle Menschen, die langfristig in Deutschland leben, unabhängig vom deutschen Pass: Von der Kommune, über die Landtage, zum Bundestag und Europaparlament. Denn wer hier lebt, muss mitentscheiden können! An der Seite des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Pass(t) und Allen“ fordern wir: Mehr Teilhabe jetzt!

5. Vielfalt im Öffentlichen Dienst umsetzen

Damit sich die Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft, in der über ein Viertel der Menschen eine Migrationsgeschichte haben, im Öffentlichen Dienst abbildet, braucht es ein Bundespartizipationsgesetz. Damit sollen Fördermaßnahmen geregelt werden, die sicherstellen, dass auf allen Verwaltungsebenen Menschen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrung entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung vertreten sind. Außerdem soll es absichern, dass auch alle öffentlichen Gremien divers zusammengesetzt sind. Um die gesellschaftliche Vielfalt abbilden zu können, sind zudem Kopftuch- und Bekleidungsverbote im Öffentlichen Dienst abzuschaffen.

6. Teilhabe von Geflüchteten absichern – Zugang zu Wohnung, Arbeit, Sozialleistungen, Bildung und Gesundheit verbessern
Ausgrenzung und Rassismus trifft sehr häufig geflüchtete Menschen, die sich aufgrund ihrer prekären Lebensbedingungen auch kaum dagegen wehren können. Ihr Ankommen und ihre Teilhabe muss in allen Lebensbereichen verbessert werden:

  • Wir wollen das Geflüchtete, statt in Massenunterkünften untergebracht zu werden, Zugang zu Wohnungen und übergangsweise zu menschenwürdigen Gemeinschaftsunterkünften erhalten. 
  • Dafür muss die Bundesregierung mehr für bezahlbare Wohnungen für alle Menschen tun. Dafür fordern wir mehr sozialen Wohnungsbau, einen bundesweiten Mietendeckel, die Wiederherstellung des Vorkaufsrechts und auch die Bekämpfung von Büroleerstand durch die Umwandlung in Wohnungen. 
  • Wir wollen alle Arbeitsverbote abschaffen, damit Geflüchtete selbstbestimmt leben können und um prekäre und illegalisierte Beschäftigung zurückzudrängen. Es ist absurd, primär auf Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland zu setzen, aber Menschen, die hier leben, Arbeits- und Bleibeperspektiven zu verweigern. Es gilt daher die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Arbeitsbedingungen insgesamt zu verbessern und die Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen zu erleichtern.
  • Für Geflüchtete, die nicht arbeiten können, muss das Existenzminimum genauso gewährleistet sein wie für alle anderen Menschen auch. Daher ist das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. Leistungen sollten über ein kostenloses Basiskonto ausgezahlt werden, statt über Sachleistungen oder stigmatisierende Bezahlkarten.
  • Das Recht auf Bildung steht allen Menschen zu. Statt in Unterkünften müssen geflüchtete Kinder in regulären Schulen unterrichtet werden. Dafür braucht es mehr Investitionen in die Infrastruktur und Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischem Personal.
  • Für besseren Zugang im Gesundheitssektor muss Krankenversicherungsschutz für alle Geflüchteten ab dem ersten Tag gewährt werden.
  • Wir unterstützen in den Bundesländern die Einführung einer City ID nach dem Vorbild von New York oder Zürich, wo sie als Ausweisersatzdokument genutzt wird und so den Zugang von illegalisierten Menschen zu Bildung, Wohnen, Gesundheit und Kultur verbessert. Die Bundesregierung soll ein Gesetzespaket vorlegen, dass die entsprechenden Hürden im Ausweiswesen absenkt.
     

 


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