Ausgewählte Presseerklärungen
Realismus ist angebracht
Zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA erklärt Helmut Scholz, Mitglied des Vorstandes der Partei DIE LINKE und des Vorstandes der Europäischen Linkspartei:
Die Präsidentschaftswahlen 2008 haben in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe, nicht nur für die Vereinigten Staaten, gesetzt. Die Wahl eines Präsidenten mit afroamerikanischen Wurzeln - 138 Jahre nach Einführung des Antirassismusgebotes in der US-amerikanischen Verfassung - ist ein historischer, kultureller Neuanfang.
Barack Obama ist mit dem erklärten Willen zum Wandel angetreten. Entsprechend hoch sind die an ihn geknüpften Hoffnungen und Erwartungen. Nun bleibt abzuwarten, ob er seinem Wahlkampfslogan gerecht werden kann.
Realismus ist angebracht: Nachhaltige politische Veränderungen werden nur möglich sein mit einer langfristigen und stabilen Kehrtwende von der bisherigen US-Politik. Der neue Präsident übernimmt zudem die Amtsgeschäfte zu Zeiten wirtschaftlicher Schwäche und der internationalen Finanzkrise. Das wird seine politische Schwerpunktsetzung der ersten Amtsmonate dominieren.
Die Bush-Administration hat in den vergangenen acht Jahren weltweit viel Vertrauen und Unterstützung verspielt. Ob der gewählte Präsident Barack Obama neue Maßstäbe auf internationalem Parkett setzen wird, bleibt abzuwarten. Noch immer stehen amerikanische Truppen in Afghanistan und Irak. Noch agieren US-amerikanische Geheimdienste weltweit und praktizieren die völkerrechtswidrige und unmenschliche Rendition-Praxis, ist Folter de facto legalisiert. Noch immer blockieren die USA die UN und den internationalen Strafgerichtshof, torpedieren sie Anstrengungen einer internationalen Klimapolitik. Obamas erste Aufgabe ist nun, Vertrauen zurück zu gewinnen mit eindeutigen Inhalten und Zielen.
Aus der Sicht vieler seiner Wähler/innen in den USA, aber auch vieler Menschen in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika gehört dazu eine konsequente Friedenspolitik und der Abzug der Truppen aus Nahost und Afghanistan, eine Abkehr von der Logik der militärischen Stärke und die Rückkehr auf den Boden des Völkerrechts. Der richtige Einstieg in das von Obama formulierte Ziel einer kernwaffenfreien Welt wäre der Abzug der US-Atomwaffenkontingente aus Europa. Zum anderen erwarten die Menschen eine deutlich demokratischere und sozialere Finanz- und Wirtschaftspolitik, glaubwürdige Konzepte gegen die große Armut und soziale Verzweiflung breiter Schichten der US-amerikanischen Bevölkerung, eine radikale Reform des Gesundheits- und Bildungswesens. Dies erfordert politischen Mut.
Europa verknüpft viele Hoffnungen mit Obama, Obama stellt selbst hohe Erwartungen an Europa. Die Europäische Union wäre schlecht beraten, nun selbst in die alte US-Logik des neoliberalen Mainstream und der militärischen Rüstung zu verfallen. Europa steht vielmehr in der Pflicht, eigene und zukunftsfähige Vorstellungen zur Lösung der gemeinsamen, globalen Probleme vorzulegen.
"Yes we can!" erklärte Kandidat Obama. "Yes you can!" warfen ihm die Wähler/innen entgegen. DIE LINKE meint nun, gemessen an den Versprechungen des 15. demokratischen Präsidenten der USA: "YES, YOU HAVE TO".