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Die EZB – das schizophrene Wesen
Die intelligente Geldpolitik der Zentralbank passt nicht zu ihrer verheerenden Politik in der Troika - Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE
Am 5. Juni traf die Europäische Zentralbank einige bemerkenswerte geldpolitische Entscheidungen auf die die Zentralbank die Öffentlichkeit schon viele Wochen davor eingestimmt hatte. Auf der einen Seite standen die klassischen Instrumente, nämlich Änderungen bei den Zinssätzen: Der Leitzins wurde um 0,1 Prozent auf 0,15 Prozent reduziert. Gleichzeitig wurde der Zinssatz für Guthaben der Banken (sog. "Einlagenfazilität") bei der Zentralbank ebenfalls um 0,1 Prozent auf -0,1 Prozent, also auf unter null, gesenkt.
Dieser - tatsächlich ungewöhnliche - Schritt, "Strafzinsen" auf Guthaben zu erheben, hat erwartungsgemäß sehr viel Aufmerksamkeit erhalten, auch wenn er in der Praxis weitgehend irrelevant ist. Eigentlich soll der negative Guthabenzins die Banken dazu animieren, das ihnen zur Verfügung stehende Geld tatsächlich als Kredit zu vergeben, statt es bei der Zentralbank zu horten. Auch wenn dieses Argument plausibel klingt, ist es praktisch unwirksam. Denn an den Kosten der Banken für das Horten von Zentralbankgeld ändert sich nichts. Mussten sie vorher 0,25 Prozent Leitzins bezahlen und bekamen 0 Prozent als Guthabenzins, zahlen sie nun 0,15 Prozent Leitzins und bekommen -0,1 Prozent als Guthabenzins ((-0,25)+0,0 = (-0,15)+(-0,1) = (-0,25)). Ein höherer Anreiz zum weniger Geldhorten entsteht dadurch nicht. Und eine relevante Ausweitung der Kreditvergabe durch die minimale Senkung des Leitzinses um 0,1 Prozent ist erst recht nicht zu erwarten.
Dass insbesondere der negative Guthabenzins so viel Aufmerksamkeit erregt hat, dürfte der EZB recht sein. Denn dadurch blieb der andere Teil der Beschlüsse vom 5. Juni über die unkonventionellen geldpolitischen Schritte weitgehend unbeachtet, obwohl sie viel relevanter sind und für die EZB quasi einen revolutionären Schritt bedeuten: den (wenngleich extrem behutsamen) Einstieg in die Kredit- und damit Investitionslenkung. Die Zentralbank bietet den Banken nach 2011 und 2012 erneut längerfristige Zentralbankkredite mit einer Laufzeit bis 2018 an. Einmal pro Quartal werden den Banken bis Mitte 2016 solche Langfristkredite angeboten werden. Aber anders als 2011/2012, als alle Banken unbegrenzt Zugang zu diesen Langfristkrediten hatten, richtet sich der Zugriff diesmal danach, wie viel Kredit eine Bank zum Ende des jeweiligen Vorquartals gegenüber privaten Haushalten und Unternehmen vergeben hat. Kredite an Finanzunternehmen und private Immobilienkredite werden nicht angerechnet. Die langfristigen Zentralbankkredite werden also gezielt den Banken angeboten, die sich in ihrer Kreditvergabe an die sogenannte "Realwirtschaft" richten. Zum Spekulieren am Aktien- oder Immobilienmarkt sollen zusätzliche langfristige Zentralbankkredite hingegen nicht verwandt werden können. Damit wird erstmalig in der Geschichte der EZB bewusst eine Lenkung der Kreditvergabe in bestimmte Bereiche befördert. Banken, die schon heute auf die Realwirtschaft orientieren, profitieren von diesem Angebot. Andere Banken, die auch in den Genuss von Langfristkrediten der EZB kommen wollen, müssen ihr Kreditengagement gegenüber der Realwirtschaft auf- bzw. ausbauen, damit sie im folgenden Quartal entsprechend Zugang zu den Langfristkrediten bekommen.
Linke ÖkonomInnen und auch DIE LINKE haben schon vor vielen Jahren gefordert, Zentralbankgeld nicht zum Einheitspreis anzubieten, sondern den Banken über bestimmte Spielregeln (z.B. eine sogenannte Aktivmindestreserve) die Vergabe von Kredite nach Bedarf z.B. ans verarbeitende Gewerbe zu verbilligen oder Immobilienkredite (z.B. zur Verhinderung von Blasen am Immobilienmarkt) zu verteuern. Damit wäre eine Zentralbank endlich in der Lage, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse nach Liquidität in verschiedenen Wirtschaftssektoren einzugehen und müsste nicht länger unerwünschte Nebeneffekte (wie z.B. eine Spekulationsblase am Aktienmarkt) mitfinanzieren. Alternativen ÖkonomInnen sind solche Überlegungen gern als Rückfall in die Planwirtschaft des Realsozialismus vorgehalten worden, aber nun beschreitet die EZB genau diese auch von der LINKEN geforderte Richtung. Das ist gut so und lässt darauf schließen, dass die EZB ganz froh ist, wenn sich in Deutschland die Zunft der bornierten Mainstream-Ökonomen an der Höhe des Einlagenzinses abarbeitet.
Bei aller Anerkennung für diese im Detail pragmatische und unorthodoxe Geldpolitik der EZB - die sich übrigens schon vorher z.B. in der Ankündigung des OMT-Programms für Staatsanleihen zeigte: Es ist dieselbe EZB, die als Teil der Troika zusammen mit EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF)und mit Rückendeckung der Bundesregierung den Euro-Krisenländern eine brutal asoziale und ökonomisch verheerende Sparpolitik aufzwingt. Diese Austeritätspolitik muss sofort beendet werden, und zwar aus Menschlichkeit, aus ökonomischer Einsicht, und nicht zuletzt, weil die EZB in den Krisenländern als Troika viel mehr zerstört, als sie mit zaghaft fortschrittlicher Geldpolitik je gutmachen kann.