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Die Steuerzahler Europas haben die Banken gerettet
Statement des Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Klaus Ernst, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu folgenden Themen möchte ich Sie heute informieren: Zur Situation des Euros; zur Bürgerversicherung in der Gesundheit und zur anstehenden im Bundesrat zu den Hartz-IV-Regelungen.
Meine Damen und Herren, Frau Merkel hat eigentlich das Richtige gemacht. Sie hat zugestanden, dass die Gläubiger an den Kosten, die es bei der Finanzierung der Staaten gibt, beteiligt werden müssen. Sie hat es in der Praxis allerdings vollkommen falsch gemacht. So etwas kündigt man nicht an - dass die Gläubiger auf Geld verzichten sollen - sondern man macht es. Durch die Ankündigung, dass das erst 2013 passieren wird, sind natürlich die Zinsen für Staatsanleihen entsprechend gestiegen. Frau Merkel hat damit den Spekulanten direkt in die Arme gespielt. Frau Merkel macht sich tatsächlich zur Heiligen Johanna der Spekulanten durch eine solche unsinnige Politik. Was im Kern richtig ist, wird durch die Halbherzigkeit falsch. Das ist das Problem, was wir gegenwärtig haben. Diese Probleme hat die Politik unmittelbar verstärkt.
Das eigentliche Problem bei der Staatsverschulung beim Euro liegt in folgendem Punkt. Momentan leihen sich die Banken bei der Europäischen Zentralbank für 1 Prozent Geld und verleihen es zu 11 Prozent an Griechenland und zu 8 Prozent an Irland. Dabei entstehen Traumrenditen. Aus meiner Sicht ist das staatlich organisierter Zinswucher. Wer das zulässt und nicht unterbindet, nimmt wieder die Steuerzahler in Haftung für etwas, was die Banken letztendlich verursacht haben.
Um es noch einmal deutlich zu machen. Die Steuerzahler Europas haben die Banken gerettet. Ohne die Steuerzahler wäre das Bankensystem nicht mehr vorhanden. Jetzt sind diese Banken durch die Steuerzahler gerettet worden und verleihen das Geld, das ihnen billigst von der Europäischen Zentralbank zur Verfügung gestellt wird, mit hohen Zinsen zurück an die Staaten. Das ist so absurd, dass man sich fragt, warum so ein System nicht schlagartig beendet wird.
Wir fordern, dass entsprechend der EU-Verträge - die Möglichkeit gibt es - sich Staaten direkt Geld von der Europäischen Zentralbank leihen können und damit die hohen Zinslasten für die Staaten und für die Steuerzahler entfallen. Es ist möglich, über eine Bank für öffentliche Anleihen - nach § 123 der EU-Verträge ist eine solche Gründung möglich - vertragskonform eine solche direkte Finanzierung der Staaten über die Europäische Zentralbank zu organisieren. Würden wir das machen, würden sich Banken und Spekulanten die Finger verbrennen, und wir hätten deutlich niedrigere Belastungen für die Steuerzahler in Europa.
In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu diskutieren, wie es zu diesen Problemen gekommen ist. Ein Punkt, der dabei zu nennen ist, ist die Tatsache, dass wir in Deutschland allein schon in den ersten drei Quartalen einen Überschuss in der Leistungsbilanz von 91 Mrd. Euro erreicht haben. Einige jubeln darüber, die kennen sich aber offensichtlich nicht mit der Gesetzessituation in der Bundesrepublik aus. Denn nach wie vor gilt das Stabilitätsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland von 1967, das als ein Ziel staatlicher Wirtschaftspolitik – ich hatte schon einmal darauf hingewiesen – außenhandelswirtschaftliches Gleichgewicht vorschreibt. Wenn man einen Außenhandelsüberschuss von 91 Mrd. Euro in drei Quartalen erzielt, hat man dieses Ziel deutlich verfehlt. Die deutschen Außenhandelsüberschüsse sind die Defizite anderer Staaten und deren Verschuldung. Wenn wir das nicht ändern, werden wir auf Dauer auch nicht die Überschuldung einzelner Staaten verhindern. Dann bleibt alles andere nur Makulatur.
Deshalb schlagen wir vor: Eine Bremse im Leistungsbilanzüberschuss. Eine Bremse im Außenhandelsüberschuss. Das heißt nicht, dass wir unsere Exporte reduzieren sollen, was fälschlicherweise ein Kollege der CSU mir vor kurzem unterstellt hat. Es bedeutet vielmehr, dass unsere Importe und unsere Exporte in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen müssen. Dass wir die Differenz möglichst klein halten. Wie erreichen wir das?
Wir erreichen das durch eine Stärkung des Konsums in der Bundesrepublik Deutschland. Denn über mehr Konsum würden auch die Importe in die Bundesrepublik steigen. Die Länder, die jetzt Defizite verzeichnen, wären damit in der Lage, selbst ihre Staatsschulden durch entsprechende Einnahmen auszugleichen. Diese Exportüberschuss-Bremse ist ein Schlüssel, um künftig Stabilität in Europa zu sichern. Sie ist ein Element, damit nicht irgendwann andere Länder Europas ihren Druck auf die Bundesrepublik verstärken und sagen, "Wenn ihr auf Kosten Anderer lebt, dann müsst ihr euch überlegen, ob ihr eigentlich im Euro-Raum bleiben könnt." Es kann nicht sein, dass ein Land auf Kosten der anderen seine Probleme löst. Das macht zurzeit die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer einseitigen Orientierung auf die Exportüberschüsse.
Zur Gesundheitspolitik. Der DGB hat Vorschläge vorgelegt, wie das Gesundheitssystem reformiert werden kann. Von der LINKEN hat mein Kollege Harald Weinberg, der Mitglied unserer Bundestagsfraktion ist, in dieser Kommission mitgewirkt. Wir teilen die Vorschläge, die der DGB hin zu einem vernünftigen Gesundheitssystem gemacht hat.
Wir wollen eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung als Alternative zum jetzigen Gesundheitssystem. In einer solchen Bürgerversicherung wären alle Bürgerinnen und Bürger gesetzlich versichert. Diese Bürgerversicherung würde ohne Beitragsbemessungsgrenzen auskommen und aus dieser Bürgerversicherung würden sämtliche notwendigen Leistungen finanziert werden. Es bedeutet, dass wir Rationierung im Gesundheitssystem abschaffen könnten. Wir könnten ohne Zusatzbeiträge und ohne die gegenwärtige Zwei-Klassen-Medizin auskommen. Ich wiederhole: Alle zahlen in dasselbe gesetzliche Krankenversicherungssystem ein. Jetzt gibt es noch den einen oder anderen, der vielleicht Wert darauf legt, im Krankenhaus einen Blick auf die Zugspitze oder auf das Meer zu haben. Derjenige kann sich weiterhin, wenn er das haben will, zusätzlich privat versichern. Wichtig ist, dass die normale gesetzliche Krankenversicherung für alle ein gutes Niveau hat und für alle finanzierbar ist.
Die Bürgerversicherung ist ein Vorschlag, zu denen auch die mit uns konkurrierenden Parteien wie SPD und Grüne ähnliche Entwürfe haben. Ich denke, das ist ein Thema, an dem die Opposition zusammenarbeiten könnte, wenn man sich auf ein gemeinsames Vorgehen und auf gemeinsame Positionen verständigen würde. Wir sind dazu bereit.
Das würde aber auch bedeuten, dass SPD und Grüne erkennen, dass der Weg, den sie in ihrer Regierungszeit eingeschlagen haben, falsch war. Ich erinnere daran: Es waren SPD und Grüne, die Zusatzbeiträge und Praxisgebühr eingeführt haben. Damit haben sie die Tür für die Abschaffung der paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems geöffnet. Da sind die Grünen und SPD mit verantwortlich. Ich gehe davon aus, dass sie inzwischen ihre Fehler erkannt haben. Sie sollten es vielleicht auch sagen, dann hätten wir es leichter bei einem gemeinsamen Vorgehen in der Opposition. Für uns ist aber auch klar, dass wir bei Vorschlägen für eine Bürgerversicherung keinerlei Arztgebühr oder eine sonstige einseitige Zuzahlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerhalb der Parität akzeptieren werden. Diese Zuzahlungen müssen zurückgenommen werden.
Das nächste Thema über das ich sprechen möchte, betrifft die in dieser Woche anstehende Abstimmung im Bundesrat über die Veränderungen im Hartz-Gesetz. Wir halten die Anhebung um 5 Euro und die Regelungen, die hinsichtlich Kinder im Hartz-System betreffen, für verfassungswidrig. Nun haben wir den Fakt, dass wir schon öfter der Bundesregierung erklärt haben, dass ihre Gesetze verfassungswidrig sind. Die Bundesregierung hat es nicht geglaubt und wurde dann in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht eines Besseren belehrt. Wir gehen davon aus, es wird auch dieses Mal wieder so sein.
Unsere Position ist vollkommen klar: Ohne substanzielle Änderungen, ohne wirkliche substanzielle Verbesserungen in der Finanzierung der in Arbeitslosengeld II befindlichen Menschen ist eine Zustimmung der LINKEN nicht zu haben.
Ich habe den Eindruck, dass die Regierung darauf spekuliert, dass die Ablehnungsfront der Opposition bröckelt. An dieser Stelle weise ich noch einmal darauf hin, dass die Grünen durch ihr unverantwortliches Handeln in Hamburg dafür gesorgt haben, dass es nur noch eine Stimme Mehrheit für die Opposition im Bundesrat gibt. Indem die Grünen die schwarz-grüne Hamburger Regierung zu einem Zeitpunkt aufgekündigt haben, zu dem die Hartz-IV-Regelungen im Bundesrat noch nicht behandelt wurden, hat sie die Bank der Regierungstreuen im Bundesrat verstärkt.
Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung auf ein Umschwenken des Saarlands setzt. Die Grünen haben damit tatsächlich die Verantwortung, ob die Opposition im Bundesrat steht oder nicht. Das wird sich an diesem Freitag zeigen, ob Frau Roth und Herr Özdemir eigentlich noch das Sagen und die sozialpolitische Kompetenz in dieser Frage haben oder ob letztendlich das Saarland und die dortigen Grünen bestimmen, wo es langgeht. Und wie man weiß, sind die Grünen im Saarland mehr oder weniger gekauft. Ich kann mir vorstellen, dass das Auswirkungen auf die Abstimmung im Bundesrat hat. Ich hoffe, es kommt nicht dazu. Aber das Risiko ist sehr groß.
Unsere Position bleibt klar und deutlich: Wir wollen eine deutliche Anhebung der Regelsätze und natürlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, die dazu parallel notwendig ist.
Ein weiteres Thema, das ich noch erwähnen möchte: Wir hatten am vergangenen Wochenende unsere Sitzung des Parteivorstandes in Stuttgart. Wir waren deshalb in Stuttgart, weil die gesamte Partei- und Fraktionsspitze an der aus unserer Sicht sehr erfolgreichen Demonstration gegen Stuttgart 21 teilgenommen hat. 50.000 Menschen haben sich dagegen gewehrt, dass dieses unsinnige Bahnhofsprojekt in Stuttgart fortgeführt werden soll. Wir haben an dieser Demonstration teilgenommen und uns darüber gefreut, dass der Widerstand nicht nachlässt, weil Stuttgart 21 so nicht zustande kommen darf. Ich gespannt, wie sich die Grünen nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg in dieser Frage verhalten werden.
Wir haben eine Reihe von Beschlüssen auf unserer Parteivorstandssitzung gefasst. Der erste Beschluss, den ich erwähnen möchte, bezieht sich auf unsere Programmdebatte. Wir haben beschlossen, dass wir an drei programmatischen Themen im Parteivorstand besonders intensiv arbeiten werden. Damit wollen wir den Programmentwurf weiterentwickeln, um ihn letztlich als Antrag des Parteivorstandes dem Parteitag vorzulegen. Der Programmparteitag entscheidet letztendlich über das Programm. Die Themen, die wir im Parteivorstand intensiver diskutieren wollen sind Fragen des sozial-ökologischen Umbaus, Feminismus und der digitalen Welt.
Ebenso haben wir einen Zeitplan beschlossen, wie wir die Debatte im nächsten Jahr weiterführen wollen. Wir werden am 03.01.2011 die elektronische Programmdebatte starten. Das bedeutet, dass sich Menschen, die sich an der Debatte beteiligen wollen, über das Internet ihre Vorschläge, Kritik etc. am Programmentwurf zu äußern. Diese elektronische Programmdebatte endet 31.03.2011. Alle bis dahin eingehenden Vorschläge werden die Grundlage für die Arbeit unserer Redaktionskommission sein. Diese Redaktionskommission wird dann dem Parteivorstand Vorschläge zur Änderung des Programmentwurfs aufbereiten, die der Parteivorstand in Form eines Leitantrags beschließt. Im Mai und Juli 2011 wird der Leitantrag durch den Parteivorstand beschlossen und dann auch entsprechend veröffentlicht.
Vom 21. bis 23. Oktober 2011 wird der Parteitag stattfinden, auf dem wir unser Programm diskutieren und verabschieden. Vom 7. November bis 16. Dezember 2011 findet der Mitgliederentscheid über unser neues Programm statt, dessen Ergebnisse wir am 18. Dezember 2011 verkünden. Damit haben wir am Ende des Jahres 2011 ein neues Programm der LINKEN. Und ich gehe davon aus - so nehme ich die Diskussion wahr – dass es eine sehr produktive Diskussion ist, die dazu führen wird, dass wir ein Programm beschließen, dass die LINKE für eine durchaus angemessene Zeit als Orientierung verwenden kann.
Noch eine Bemerkung zum Landesparteitag Bayern, der am Wochenende stattgefunden hat. Das Klima war nicht erfreulich. Wir haben leider in einigen Landesverbänden, auch in Bayern, das eine oder andere Problem. Wir haben in Bayern das Problem, dass wir dort auch Mitglieder haben, die sich noch nicht so richtig in das Parteileben eingefunden haben. Sie sind teilweise noch in ihrem Sektenverhalten verhaftet. Wir haben allerdings trotz dieser nicht sehr erfreulichen Situation ausgesprochen positive Ergebnisse. Die Delegierten haben einen Schatzmeister, der seine Aufgabe eher darin sah, die eigene Partei zu diskreditieren als sich um den noch relativ kleinen Schatz kümmern, abgewählt und eine neue Schatzmeisterin ins Amt berufen.