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Interviews, Länderberichte und andere Texte

Interview mit Nareen Shammo

Diejenigen, die in der Autonomen Region Kurdistans in Lagern leben, brauchen jede Art von Hilfe.

Interview mit Nareen Shammo

Am 3. August 2014 überfiel die Terrororganisation "Islamischer Staat" die Region Shingal (auch Sinjar genannt) im Norden Iraks, die vor allem von Jesiden bewohnt war, über 7.000 Menschen wurden brutal ermordet, über 5.000 Frauen und Mädchen verschleppt, 400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Nareen Shammo, Aktivistin und selbst Jesidin, engagiert sich seitdem für die Befreiung der vom IS gefangenen Frauen und wurde dafür 2015 mit dem Clara-Zetkin-Frauenpreis der LINKEN ausgezeichnet. Zwei Jahre nach dem Massaker haben wir Nareen gefragt, wie die Lage im Shingal jetzt aussieht.

 

Vielen Dank Nareen, dass du dir die Zeit genommen hast für das Interview. Mittlerweile haben kurdische Peshmerga den Shingal vom IS befreit. Heißt das, dass die Region wieder sicher ist und die Menschen bald wieder zurück zu gehen können? Und wollen sie überhaupt wieder zurück, nach den traumatischen Erfahrungen im August 2014?
Ja, Teile des Sinjar wurden durch kurdische Peshmerga, jesidische Einheiten und YPG befreit, aber weite Teile des südlichen Sinjar werden noch immer vom IS kontrolliert. Sinjar ist kein sicherer Ort für Jesiden, selbst die Gebiete nicht, die befreit sind. Denn die meisten der Turkmenen, Araber und Kurden, die sich dem IS angeschlossen hatten, und uns getötet hatten, sind noch dort noch immer an der Macht. Die Jesiden fühlen sich nicht sicher, um in ihre Dörfer zurück zu gehen, solange sie keinen internationalen Schutz bekommen und keine wirkliche Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft.

Mehr als 5.000 Frauen und Mädchen wurden vom IS gefangen genommen. Wie viele konnten seitdem befreit werden und wie viele sind noch immer in Gefangenschaft?
Die Zahl der Entführten und Vermissten liegt bei über 7.000. 2.500 Frauen, Kinder und einige Männer konnten befreit werden, aber bis heute sind 4.000 Frauen und Kinder in Gefangenschaft des IS. Diejenigen, die frei gekommen sind, leben in Flüchtlingscamps, die meisten ohne ausreichend Kleidung und Essen.

Wie kann ihnen geholfen werden?
Die Lage hat sich verändert. Zum Beispiel vor einem Jahr war es einfacher einzelne Menschen zu befreien. Aber jetzt ist es wirklich schwierig ohne spezielle militärische Aktionen. Einige der Mädchen kontaktierten ihre Familien, und einige hatten die Möglichkeit, zu entkommen. Aber es ist viel Geld nötig, (auch um Mädchen frei kaufen zu können, Anm. d. Redaktion) und die meisten Familien dieser Mädchen leben in Flüchtlingslagern und haben nicht einmal genug Geld für das tägliche Essen.

Du und deine Familie ihr lebt inzwischen in Deutschland. Warum ist die Lage im Irak so gefährlich für euch geworden?
Bis jetzt habe ich meine persönlichen Erfahrungen nicht den Medien mitgeteilt. Für einige Monate hatte ich Angst, ich hätte meine Familie verloren und ich würde selbst nicht am Leben bleiben. Aber wir haben es geschafft, trotz der vielen Drohungen seitens des IS und des Asayish (Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan, Nordirak. Am 3. August 2014 waren die kurdischen Peshmerga geflohen und hatten die Jesiden ihrem Schicksal überlassen. Diese unterlassene Hilfe hatte Nareen in häufig kritisiert, weshalb sie auch von der Regierung Barzanis im Nordirak unter Druck gesetzt wurde)

Viele Jezidinnen und Jeziden sind nach Deutschland geflohen, wie kann ihnen hier geholfen werden, vor allem den Frauen, die aus IS-Gefangenschaft geflohen sind? Welche Art von Hilfe brauchen sie am dringendsten.  Was sollte ein Land wie Deutschland tun, um den Jesidinnen und Jesiden zu helfen?
Immerhin haben die Frauen, die hier leben einen guten Platz zum Schlafen, und wie bei anderen Flüchtlingen auch, kümmert sich die deutsche Regierung um die gesundheitliche Versorgung. Aber diejenigen, die in der Autonomen Region Kurdistans in Lagern leben, brauchen jede Art von Hilfe. Wie ich schon erwähnt habe, haben viele von ihnen nicht genug Geld, einen Arzt aufzusuchen oder Essen zu kaufen. Es gibt ein paar NGOs dort, aber nicht genug Unterstützung. Eine der besten dort ist die Organisation Yazda. Yazda unterstützt monatlich etwa 1000 Frauen, aber auch sie kann nicht alles leisten, was nötig wäre. Darum möchte hier auch die Leserinnen und Leser bitten, den Opfern zu helfen.
Etwa 30.000 Jesidinnen und Jesiden kamen nach Deutschland, die meisten sind seit über einem Jahr hier und warten noch immer auf ihr Asyl. Und wir haben Fälle von Morddrohungen durch radikale Islamisten, die in denselben Flüchtlingsheimen wohnen. Die Jesiden haben ihr Land verlassen, weil sie dort nicht sicher waren. Es ist Aufgabe der deutschen Regierung, sie zu schützen, und ihre Anträge zusammen mit denen anderer religiöser Minderheiten in einem gesonderten Asylverfahren zu bearbeiten.
Was die Jesiden im Irak betrifft bitte ich die Bundesregierung, Regierungsmitglieder in die Lager zu entsenden, um die Lage vor Ort mit eigenen Augen zu sehen, und Hilfsprogramme zu entwickeln, die sich vor allem an Frauen und Kinder richten.

 

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