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Griechenland: Eine Alternative ist möglich
Zum Programm von SYRIZA und zur Debatte um den Schuldenschnitt
Nochmals zur Erinnerung: Wohin sind die Hilfskredite geflossen und wer wurde eigentlich gerettet?
Die Schuldenquote Griechenlands (Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft, also zum Bruttoinlandsprodukt) ist trotz der Kürzungspolitik stark angestiegen, von etwa 120 Prozent im Jahr 2010 auf über 170 Prozent heute. In absoluten Zahlen belaufen sich die griechischen Staatsschulden auf etwa 320 Milliarden Euro, daran hat sich während der letzten fünf Jahre wenig geändert. Bis auf eines: Die Gläubiger - diejenigen, bei denen Griechenland verschuldet ist - sind heute andere. Im Jahr 2010 hielten Banken und der gesamte private Finanzsektor noch nahezu alle Forderungen an Griechenland, im Jahr 2015 sind es nur noch 11 Prozent. Zum Beispiel hatten deutsche Banken 2010 griechische Staatsanleihen noch in Höhe von 23 Milliarden, heute sind es nur rund 4,6 Milliarden. Das heißt, Griechenland hat sich über die "Rettungsschirme" EFSF und ESM verschuldet, um letztlich die Forderungen der Banken zu bedienen.
Eine Auflage der Hilfskredite der Troika (IWF, EU-Kommission, EZB) von insgesamt 240 Milliarden Euro war nämlich, dass Griechenland mit dem Geld zuallererst die alten Schulden zurückzahlen soll (Bankenrettung). Diese Gelder gingen also nicht etwa an den Staat oder an die Bevölkerung, um tatsächlich den "Griechen zu helfen", sondern sie flossen zu über 90 Prozent in den Finanzsektor - an internationale private Gläubiger wie Banken, Hedgefonds , Versicherungen und an griechische Banken. Oder sie wurden für exorbitante Zinszahlungen ausgegeben: Denn die Zinsen stiegen für Griechenland mit über 10 Prozent in absurde Höhen. Können sich private Banken bei der EZB seit Jahren Geld für 0,5 Prozent (aktuell sogar noch weniger) leihen, sind Gemeinwesen der Willkür der Finanzmärkte ausgesetzt. Ein Teil der griechischen Schulden geht auch auf diesen illegitimen Zinswucher zurück. DIE LINKE fordert seit Jahren, öffentliche Haushalte von dem Diktat und der Spekulation der Finanzmärkte zu befreien. Die Euro-Staaten sollten sich auch bei der EZB in einem festgelegten Rahmen günstig finanzieren können.
Was SYRIZA kurzfristig umsetzen will
SYRIZA will im Falle eines Wahlsieges die Kürzungspolitik der Troika beenden und über die Kreditauflagen (Memoranden) und die Schulden Griechenlands neu verhandeln. Ein "Grexit", ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone, kommt für SYRIZA nicht infrage.
(1) Mit einem Sofortprogramm will sich das Linksbündnis zuallererst gegen die "humanitäre Krise" stemmen. Hier geht es um Dinge wie die Strom- und Gesundheitsversorgung, Mietzuschüsse, Bekämpfung der grassierenden Obdachlosigkeit, Lebensmittelgutscheine und die Erhöhung von niedrigsten Renten. Das Programm, das die schlimmste Armut bekämpfen soll, hat ein Volumen von rund zwei Milliarden Euro. Der Mindestlohn soll sofort wieder auf 751 Euro angehoben und die Deregulierung des Arbeitsmarkts zurückgenommen, Gewerkschaften und das System der Flächentarifverträge sollen gestärkt werden.
(2) Um die Wirtschaft anzukurbeln, will SYRIZA ein öffentliches Investitionsprogramm auf den Weg bringen. 40 Jahre Regierung der Konservativen (Nea Demokratia) und/oder der Sozialdemokraten (PASOK) haben das Land heruntergewirtschaftet und zu einem System aus Korruption, Steuerhinterziehung und Vetternwirtschaft verkommen lassen. Ein solches "mittelfristiges" Programm von etwa 12 Milliarden Euro soll die öffentliche Infrastruktur aufbauen, die Produktivität der Unternehmen steigern, Beschäftigung schaffen (es sollen unmittelbar 300.000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose entstehen) und die inländische Nachfrage erhöhen.
(3) Neben höheren Steuern für Superreiche in Griechenland, die bislang von den Troika-Auflagen verschont wurden, sollen die Wahlkampfforderungen über Reformen bei der Steuerverwaltung und Steuerfahndung finanziert werden. "Unser Ziel ist es", so Alexis Tsipras, "mit durchschlagenden Reformen des Staates und des öffentlichen Sektors nicht ins Jahr 2009 zurückzukehren, sondern alles zu verändern, was dieses Land an den Rand einer wirtschaftlichen und moralischen Pleite geführt hat." Dazu gehört neben dem Stopp der externen Auflagen der Troika auch innenpolitisch eine Umgestaltung der griechischen Institutionen und des Staatswesen. Dass zum Beispiel nach Wahlen Führungspositionen in den Finanzämtern ausgetauscht werden, soll der Vergangenheit angehören. SYRIZA würde auch für einen politisch-kulturellen Wandel stehen.
Debatte um den Schuldenschnitt
Zwar lässt sich die Reformagenda von SYRIZA nicht auf die Forderung nach einem Schuldenschnitt reduzieren, jedoch ist ein Erlass zumindest eines Teils der Schulden für das Linksbündnis unausweichlich, um unter dem Schuldenberg nicht zu ersticken. Derzeit wird ein Schnitt von 40 bis 50 Prozent diskutiert, damit läge Griechenlands Schuldenquote anschließend etwa im Durchschnitt der Euro-Länder. Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung empfahl Anfang Januar, Griechenland die Hälfte seiner Schulden zu erlassen. Das mag aber beim DIW eher damit zusammenhängen, dass heute bei einem Schuldenschnitt kaum noch Banken und private Gläubiger betroffen wären, sondern in erster Linie öffentliche Haushalte.
Um die Verpflichtungen Griechenlands will SYRIZA im Rahmen einer europäischen Schuldenkonferenz mit den Gläubigern verhandeln. Vertreter von SYRIZA erinnern dabei an die Londoner Schuldenkonferenz von 1953 als Deutschland mit Zustimmung Griechenlands rund zwei Drittel der Schulden erlassen wurden. Tsipras stellt immer wieder klar, dass der Schuldenberg nicht nur ein griechisches, sondern vielmehr ein europäisches Problem sei. Seine Partei fordert deshalb zumindest als Erstes ein Moratorium (Aufschub) für die Rückzahlungen und eine Wachstumsklausel, die die Tilgung der Schulden an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes koppelt. Ohne wirtschaftliche Erholung - ohne ein Ende der desaströsen Kürzungs- und Verarmungspolitik - keinen Schuldendienst.
Das Geld ist da. Europas Millionäre endlich zur Kasse
Es ist davon auszugehen, dass auch eine Linksregierung in Griechenland daran scheitert und sich kaputtspart, nur um einen riesigen Schuldenberg immer weiter zu bedienen. Zum Beispiel muss Griechenland dieses Jahr etwa 22 Milliarden "umschulden". Das heißt, die Rückzahlung alter Schulden wird fällig, dafür brauchen sie aber neues Geld. Das wird dann in den nächsten Jahren immer so weitergehen - ein Teufelskreis. Deshalb fordert SYRIZA einen Schuldenschnitt, der in Kombination mit einem Ende der Kürzungspolitik und einem Aufbauprogramm die Grundlage bildet, die verbleibenden Schulden schrittweise tilgen zu können. Aus Sicht der LINKEN soll auf einer internationalen Schuldenkonferenz mit einem Schuldenschnitt für Griechenland gleichzeitig eine einmalige Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro in allen Euro-Staaten verabredet werden. So könnte endlich erreicht werden, dass nicht Steuerzahler und öffentliche Haushalte die Hauptlast der Krise tragen, sondern Vermögende, deren Konten sich während der Krise eher weiter gefüllt haben, angemessen beteiligt werden. Schließlich übertrifft das Vermögen nur der europäischen Millionäre mit etwa 14 Billionen Euro die gesamte Staatsverschuldung aller EU-Staaten, die bei 11 Billionen Euro liegt.
DIE LINKE argumentiert in ihrem Wahlprogramm zur Europawahl 2014 zum Thema Schuldenschnitt:
"Wir zahlen nicht für eure Krise" war eine Parole der europaweiten Protestbewegung gegen die Kürzungspolitik. DIE LINKE hat sich zu Beginn der Krise dafür eingesetzt, dass Verursacher und Profiteure der Krise mit einem Schuldenschnitt zur Kasse gebeten werden. Die Politik der "Bankenrettung" hat die privaten Gläubiger durch öffentliche Mittel abgesichert. Ein Schuldenschnitt könnte jetzt auf Kosten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gehen. Die Legitimität von Schulden von Staaten bei privaten Banken muss überprüft und Gegenstand eines demokratischen Prozesses werden. Deshalb fordern wir ein Schuldenaudit (Überprüfung der Legitimität des Schuldenbestands) und einen substanziellen Schuldenschnitt für illegitime Schulden, um Banken und andere private Gläubiger an der Finanzierung zu beteiligen.
Die öffentlichen Haushalte sollen von der Diktatur der Finanzmärkte befreit werden, indem die Staaten sich auch bei der EZB in einem festgelegten Rahmen günstig finanzieren können und nicht mehr allein auf die Finanzmärkte angewiesen sind.
Wir wollen den Schuldenstand bei überschuldeten Staaten sozial verträglich durch eine kombinierte Anwendung von Schuldenschnitt und Millionärsabgabe auf Vermögen senken." (S.15)