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Nein zum Krieg in Libyen
Rede von Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, bei der Kundgebung "Bomben schaffen keinen Frieden. Kein Krieg in Libyen!" vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Liebe Freundinnen und Freunde, wir haben uns heute hier versammelt, weil wir Krieg für kein Mittel der Politik halten, egal wo er geführt wird. Wir treffen uns hier und protestieren dagegen, dass Krieg wieder zur Normalität politischen Handelns werden soll.
Selbstverständlich sind wir solidarisch mit den vielen Menschen in Libyen, die sich gegen ihren Diktator zur Wehr setzen. Selbstverständlich verurteilen wir die Gewalt, die Gaddafi gegen seine eigenen Bürger und sein eigenes Volk anwendet. Aber rechtfertigt das einen Krieg? Rechtfertigt das den Einsatz von Waffen? Rechtfertigt das das Bombardement, das nun von Seiten der sogenannten Verbündeten gegen die Bevölkerung und auch gegen die Bürgerinnen und Bürger in Libyen stattfindet? Wir wissen, dass Krieg immer mit zivilen Opfern verbunden ist und schon jetzt haben wir die ersten zivilen Opfer der Bombardements in Libyen zu beklagen.
Deshalb sagen wir Nein zu diesem Krieg. Deshalb sagen wir, dass dieser Krieg auch moralisch nicht zu rechtfertigen ist. Wir wissen, dass es auch die Bundesrepublik Deutschland war, die dieses Land und diesen Diktator mit Waffen versorgt hat, die er nun gegen seine eigene Bevölkerung anwendet. Wir wissen, dass es eine Doppelmoral ist, wenn auf der einen Seite darüber geredet wird, man müsste nun die Bevölkerung schützen. Gleichzeitig gibt man einem Diktator vorher die Waffen, um seine eigene Bevölkerung zu massakrieren. Das ist der eigentliche Punkt und das eigentliche Problem. Deshalb sagen wir: wir brauchen sofort einen Stopp von sämtlichen Rüstungsexporten – nicht nur in Krisengebiete, sondern überall hin.
Mit welcher Doppelmoral hier gehandelt wird, sehen wir auch an einem weiteren Punkt: Saudi-Arabien unterstützt ja nun die Herrscher in Bahrain. In Bahrain ist die Bevölkerung ebenfalls aufgestanden, um eine andere Form der Demokratie, eine wirkliche Demokratie zu erreichen. Ausgerechnet Saudi-Arabien ist nun Teil eines Bündnisses für Demokratie in Libyen. Ist es nun der nächste Akt, dass in Bahrain einmarschiert wird oder in Bahrain die Luftwaffe eingesetzt, um die Bürgerinnen und Bürger vor Saudi-Arabien zu schützen? Wo ist das Ende dieser Eskalation? Was ist mit Syrien, wo ebenfalls die Bevölkerung von einem Diktator massakriert wird? Warum nicht der Jemen? Ist das nächste Land möglicherweise die Elfenbeinküste? Wo ist Schluss mit Krieg?
Wir sagen: wenn man einmal mit einer sogenannten Flugverbotszone, dann ist er nächste Schritt in der Regel der Einsatz von Bodentruppen. Wir wissen, was der Krieg in Afghanistan bedeutet. Deshalb möchte ich Ihnen ein paar Punkte nennen, wie die Realität in Afghanistan ist, um sich vorzustellen, was uns möglicherweise woanders noch blüht. Nach einem Bericht der UNO gibt es nach neun Jahren Krieg in Afghanistan folgende Situation: die Armut hat von 33 auf 42 Prozent der Bevölkerung zugenommen. Die Unterernährung hat von 30 auf 39 Prozent der Bevölkerung zugenommen. Es gibt einen Rückgang beim Zugang zu sanitären Einrichtungen von 12 auf 5,2 Prozent der Bevölkerung. Die Zahl der Menschen, die in Slums leben, hat von 2,4 auf 4,5 Millionen zugenommen. Die Mohnfelder haben sich von 131.000 auf 193.000 Hektar ausgeweitet. Das ist das Ergebnis des Kriegs in Afghanistan. Wir wollen kein weiteres Afghanistan.
Wir wollen selbstverständlich erreichen, dass dieser Diktator in Libyen geächtet wird. Aber wir wollen das mit zivilen Mitteln erreichen, weil wir wissen, dass Krieg die Situation der Menschen nie verbessert, sondern immer verschlechtert.
Ich halte es für eine unglaubliche Blamage, dass die Grünen und die Sozialdemokratische Partei der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich aus diesen Zahlen, die ich gerade vorgetragen habe, nichts gelernt haben. Es ist geradezu absurd, dass es ausgerechnet SPD und Grüne sind, die sich nun für eine Beteiligung Deutschlands an der Durchsetzung der Flugverbotszone aussprechen, während ein FDP-Minister – Herr Westerwelle – richtigerweise im Weltsicherheitsrat dafür gesorgt hat, dass sich die Bundesrepublik Deutschland enthält.
Ich möchte deshalb die Mitglieder dieser Parteien auffordern, mit ihrer Parteiführung zu reden. Es gab mal eine Zeit, da war die SPD eine Friedenspartei. Es gab mal eine Zeit, da waren die Grünen eine Friedenspartei. Damals hat Willi Brandt die Worte gesagt: "Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio." Wie weit haben sich die SPD und die Grünen eigentlich von ihren Positionen entfernt?
Wir bleiben dabei, für uns kann Krieg nie ein Mittel der Politik sein. Wo sind unsere Alternativen als LINKE – eine habe ich bereits angesprochen: Stopp sämtlicher Rüstungsexporte. Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass Gaddafi das Geld ausgeht. Deshalb müssen wir ihn international ächten und es darf keine wirtschaftlichen Beziehungen zu einem Land geben, dass seine Bevölkerung massakriert. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass das eingehalten wird. Ich halte es für fatal, dass sich ausgerechnet Frankreich für Verschärfungen gegenüber Libyen einsetzt und hervortut, während gleichzeitig die Flieger, die in Libyen die eigene Bevölkerung bombardieren, ausgerechnet von Frankreich geliefert wurden. Auf diesen Zustand, auf diese Doppelmoral muss man hinweisen.
Uns geht es immer um die Frage, wie es den Menschen wirklich geht. Deshalb ist unsere Position, dort einzugreifen und zu helfen, wo es den Menschen unmittelbar zu Gute kommt. Wo ist unsere Hilfe zum Beispiel in Haiti, wo Seuchen drohen? Warum sind wir immer ganz besonders schnell, wenn es um Kriegseinsätze geht und ganz besonders langsam, wenn es um humanitäre Hilfe geht? Dann stellt sich natürlich die Frage, was in Libyen ist – in Libyen ist Öl - und natürlich spielt das eine Rolle. Deswegen sind wir zum Beispiel schneller in Libyen als in Japan, um dort zu helfen und einzugreifen. Deshalb sind wir als Bundesrepublik Deutschland auch nicht in Haiti, um dort zu helfen.
Deshalb sagen wir: Nein zum Krieg in Libyen. Helfen wir den Menschen so, dass jeder Euro, der ausgegeben wird, tatsächlich auch den Menschen zu Gute kommt, ohne dass Menschen umgebracht werden. Das ist die Position meiner Partei.