Interviews, Länderberichte und andere Texte
Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus!
Rede auf dem Ostermarsch in Bruchköbel (Main-Kinzig-Kreis, Hessen)
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ostermarsches in Bruchköbel, der Ostermarsch hat eine lange politische Tradition. Dazu gehört, besonders in Deutschland, dass der Kampf gegen Krieg eng verbunden ist mit dem Kampf gegen Faschismus. Nazis haben angekündigt, an unserem Ostermarsch teilzunehmen und das Frankfurter Verwaltungsgericht hat das erlaubt. Das ist ein Skandal, das werden wir nicht hinnehmen!
Wir sagen klar und deutlich: "Nazis sind hier nicht willkommen!" Sie sind nicht Teil der Friedensbewegung.
Nazis verbreiten Gewalt, Rassismus und Terror. Sie wollen alle demokratische Rechte abschaffen. Die Verwirklichung ihrer politischen Ziele würde Krieg und Vernichtung bedeuten. Ihnen gebührt kein Demonstrations- und Versammlungsrecht. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Die NSU-Mordserie und das katastrophale Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden bedeuten für uns: wir werden es nicht zulassen, dass Faschisten Menschen bedrohen. Nazis haben seit 1990 mehr als 180 Menschen, zumeist Migrantinnen und Migranten, ermordet. Wir stehen an der Seite der Hinterbliebenen der Opfer des NSU. Zu ihrer Trauer kommt der jahrlange falsche Verdacht der Behörden, der Medien und der deutschen Öffentlichkeit, sie könnten die Täter sein. Das zeigt den tief verankerten Rassismus in unserer Gesellschaft. Diesem Rassismus treten wir heute gemeinsam entgegentreten. Wir stehen auf der Seite der Migrantinnen und Migranten in Deutschland, die in Angst vor dem tödlichen Terror der Nazis leben. Es macht mich sprachlos, wie das Münchener Oberlandesgericht den türkischen Medien die Plätze für die Berichterstattung über das NSU-Verfahren verwehrt. Der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder verteidigt das Gericht auch noch: "Eine Videoübertragung (..) hätte ein bisschen was von Schauprozess und Public Viewing und wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Angeklagten". Ich frage, "Wo bleibt die Würde der Opfer?" Der NSU-Skandal wirft ein Schlaglicht auf die Verstrickung des Verfassungsschutzes mit der Nazi-Szene. Mindestens fünf V-Leute des Verfassungsschutzes sind unter den bisher bekannten 129 Unterstützern des Nazitrios. Das Trio konnte 13 Jahre lang untertauchen und morden. Die gesamte Nazi-Szene profitiert von den bezahlten V-Leuten. Es ist ein Skandal, dass Nazistrukturen mit öffentlichen Geldern systematisch finanziert und aufgebaut werden. Deshalb müssen alle V-Leute sofort abgeschaltet werden. Es wird wieder einmal klar: Wir können uns nicht auf Gerichte, Polizei und Verfassungsschutz im Kampf gegen alte und neue Nazis verlassen. Diesen Kampf müssen wir alle gemeinsam selbst in die Hand nehmen. Auch deshalb sind wir heute hier und deshalb werden wir am 1. Mai in Frankfurt die Nazis stoppen.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir demonstrieren hier gegen Krieg und für globale Gerechtigkeit. In diesem Jahr sind wir nicht nur mit einer Weiterführung des Krieges in Afghanistan konfrontiert. Nein, im Jahr vor der Bundestagswahl hat der Bundestag auch noch zwei weitere Bundeswehreinsätze auf der Welt beschlossen - gegen die Stimmen der LINKEN. Die Regierung macht die Bundeswehr fit für weitere Kriege. Der Umbau zur weltweiten Einsatzarmee ist in vollem Gange. In seinen verteidigungspolitischen Richtlinien von Mai 2011 schrieb Thomas de Maizière: "Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen (…) Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften." Zu den "Bedrohungen", die eine "Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand" darstellen, gehöre auch "Rohstoffknappheit" und die Unsicherheit von Handelswegen. Für diese globale Interventionsarmee sollen zeitgleich zehntausend Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung stehen, die in bis zu zwei größere internationale Einsätze wie dem Afghanistankrieg geschickt werden können.
Was bedeutet das konkret?
1. Afghanistan Abzug zum Sankt Nimmerleinstag
Die Bundesregierung spricht vom Abzug der Bundeswehr Ende des Jahres 2014. Das ist pure Augenwischerei. Ende Januar erst hat die Regierungskoalition mit Unterstützung vieler Abgeordneter aus SPD und Grünen das Afghanistanmandat für ein Jahr verlängert. NATO und Bundesregierung planen schon längst über 2014 hinaus. Sie wollen ein Standbein in Afghanistan halten. Der Vorbehalt unter den Verteidigungsminister De Maizière einen Abzug stellt, lautet, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan stabil ist. Tatsache ist: wird es keine "Sicherheit" in Afghanistan geben, solange die NATO nicht abzieht. Der NATO-Krieg hat mehr als 3200 NATO-Soldaten das Leben gekostet. Und er wirkt in den Köpfen derer, die überleben, weiter: 2012 sind noch mehr US-Soldaten durch Selbstmord nach dem Einsatz in Afghanistan gestorben, als durch Kampfhandlungen. Der Nato-Krieg hat zehntausende Afghanen getötet. Einige der afghanischen Opfer und Hinterbliebenen der Bombardierung auf Befehl der Bundeswehr vom 4. September 2009 in Kundus haben nun die Bundesregierung auf Schadensersatz vor dem Bonner Landgericht verklagt. Die Bundesregierung hat angekündigt, vor Gericht die Abweisung der Klage zu beantragen. Die Bundesregierung tritt die Würde der Opfer von Kundus mit Füßen. Seit mehr als drei Jahren fordern diese vergeblich eine Entschädigung von der Bundesregierung. Viele Hinterbliebene, besonders die Witwen, leben in Armut. Stellvertretend für die Opfer klagt nun Abdul Hanan, der seine beiden minderjährigen Söhne durch den Bombenschlag verlor. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung sich immer noch weigert, die Verantwortung für die Bombardierung von Kundus zu übernehmen und die Opfer angemessen zu entschädigen. Zugleich wurde Oberst Klein, der die Bombardierung anordnete, befördert. Unsere Solidarität gilt den Menschen von Kundus in ihrem mutigen Kampf für Gerechtigkeit. Die Friedensbewegung hat in den letzten Jahren durch beharrliche Arbeit dazu beigetragen, dass der Krieg in Afghanistan von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Wir kämpfen weiter für einen sofortigen, bedingungslosen Abzug. Erst der Abzug der NATO bietet Chancen auf ein Ende des Krieges, der Armut und der Korruption.
2. Syrien: Bundesregierung spielt mit dem Feuer
Großbritannien und Frankreich wollen das Waffenembargo für Syrien aufheben. Wir lehnen Waffenexporte grundsätzlich ab und so auch Waffenlieferungen an alle Seiten in Syrien. Sie eskalieren die Situation und werden der syrischen Demokratiebewegung auch nicht helfen, sondern sie neue Abhängigkeit bringen. Auch wenn die Bundesregierung Waffenlieferungen nach Syrien ablehnt, sie trägt zur Eskalation im Nahen Osten bei: Mit der Verlegung von Patriot-Raketensystemen und 400 Bundeswehrsoldaten in die Türkei erhöht sie die Kriegsgefahr, weil sie die Erdogan-Regierung zu militärischen Handlungen ermutigt. Es ist erbärmlich, dass auch SPD und Grüne mehrheitlich erneut eine Politik unterstützen, die Deutschland zu einer internationalen Kriegspartei macht. Wir sagen die Bundeswehr hat an der türkisch-syrischen Grenze nichts zu suchen.
3. Mali: Bundesregierung unterstützt Rohstoffkrieg
Die Bundesregierung hat Ende Februar die Bundeswehr in einen weiteren Kriegseinsatz geschickt - mit Unterstützung von SPD und Grünen. Die Bundeswehr beginnt in diesen Tagen die Ausbildung malischer Truppen für den Krieg im Norden des Landes. Und sie unterstützt den Krieg des französischen und des malischen Militärs durch Truppentransporte und Luftbetankung. Damit ist die Bundeswehr Teil des Krieges. Der Krieg in Mali löst keines der politischen und sozialen Probleme im Land. Angeblich geht es um Terrorbekämpfung. Doch Afghanistan zeigt: Terrorismus lässt sich nie mit Krieg bekämpfen. Krieg erzeugt immer neuen Terror. Diese Logik muss ein Ende haben. Die französische Intervention wird als Notoperation bezeichnet. Nein, dieser Militäreinsatz ist kein chirurgischer Eingriff. Nur weil der französische Kriegsminister Le Drian sich weigert, die Zahlen der Opfer des Feldzuges zu nennen, heißt das noch lange nicht, dass es keine Opfer gibt. Dieser Krieg hat die ethnischen Spannungen in Mali verschärft. Fast alle Tuareg und Araber sind aus Angst vor der malischen Armee aus Timbuktu geflohen. Ihre Geschäfte wurden geplündert, ohne dass das Militär eingriff. Bei dem Militäreinsatz Frankreichs geht es nicht um die Beseitigung menschlichen Elends. Es geht um die Absicherung strategischer und wirtschaftlicher Interessen in ihrem ehemaligen kolonialem Einflussgebiet. Klar ist: Die Bundesregierung möchte bei den Kriegen der Zukunft offenbar nicht nachstehen. Es kann nicht angehen, dass wir einen Krieg unterstützen, der für die Rohstoffinteressen der europäischen Staaten und die Interessen von Bergbauunternehmen oder Atomkonzernen geführt wird. Mali hat viele Probleme; aber keines davon ist militärisch zu lösen. Terrorismus lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen. Krieg ist selber Terror. Und deshalb fordern wir, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden.
Weil die Kriegsführung des Westens im Irak und in Afghanistan extrem unpopulär ist, setzten die Strategen zum einen darauf, das Militär und die Institutionen der anderen Länder das dreckige Geschäft selber zu verrichten und sie für den Krieg auszubilden. Zum anderen setzen sie auf High-Tech-Waffen und Killerdrohnen. Kampfdrohnen sind Killerwaffen und müssen geächtet werden! Ich freue mich, dass der Appell der Friedensbewegung gegen Kampfdrohnen große Resonanz gefunden hat. Verteidigungsminister De Maizière musste bei seiner Forderung, schnell bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr zu kaufen, ein kleines Stück zurückrudern. Aber de Maizières Ankündigung, vorerst keine bewaffneten Drohnen anzuschaffen, ist bestenfalls eine Beruhigungspille für die Bevölkerung. Denn er will sie nach der Bundestagswahl. Das sollte uns als Ansporn dienen, die Frage in den Bundestagswahlkampf hineinzutragen. Es kann beim Thema Drohnen keine Beruhigung geben: Die Bundeswehr fordert bisher bewaffnete Drohnen der USA in Afghanistan an. Der Spiegel berichtete vor zweit Wochen, dass die Bundeswehr damit Afghanen töten ließ. Ich sage: Herr De Maizière, das ist Auftragsmord! Wir brauchen keine Killerdrohnen, die die Schwelle zum Töten weiter senken - weder geliehen noch gekauft! Wir brauchen Sicherheit für die Menschen in Afghanistan und Pakistan und dem Rest der Welt, keine ferngesteuerten Mordinstrumente!
Liebe Freundinnen und Freunde, die Umstrukturierung zur Einsatzarmee und die Aussetzung der Wehrpflicht führt dazu, dass die Bundeswehr verstärkte Anstrengungen unternimmt, um Nachwuchs zu rekrutieren. Dafür steht ihr ein wachsendes Werbebudget zur Verfügung mit der sie Jugendliche durch Werbespots, Plakate und Anzeigen lockt. Karriere und Abenteuer sind die großen Versprechen. Die Zahl der Auftritte der Bundeswehr an Schulen, auf Berufsbildungsmessen, auf Volksfesten wie dem Hessentag und mit ihrem Karriere-Truck ist in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt. Im zweiten Quartal dieses Jahres hat die Bundeswehr 48 solcher Auftritte allein in Hessen. Dabei nutzt die Bundeswehr die soziale Not und die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, um sie für eine Karriere bei der Bundeswehr zu ködern. Dass das für viele mit der Hoffnung auf eine gute Zukunft begann, für einige von ihnen mit Tod oder Traumatisierung endet, verschweigt sie. Wir sagen: Die Bundeswehr hat an Schulen, Jobcentern, auf Ausbildungsmessen und auf dem Hessentag nichts zu suchen. Jugendliche brauchen eine Perspektive mit der sie sich nicht ihre Gesundheit und ihre Zukunft ruinieren.
Lasst mich zum Schluss noch kurz auf das Treffen von DGB-Chef Sommer und Verteidigungsminister de Maiziere eingehen. Beide haben die "Normalisierung" des Verhältnisses von Gewerkschaften zur Bundeswehr angekündigt. Bereits 2011 hatte Michael Sommer auf einer Veranstaltung der Bundeswehr-Uni in Hamburg die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften in Aussicht gestellt. Inhaltliche Grundlage sei, dass die Bundeswehr ihre Auslandseinsätze auf der Grundlage internationaler Mandate durchführe. Ob mit oder ohne internationales Mandat - wir sagen Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr! Und wir sagen Nein zu Bundeswehreinsätzen im Innern, wie sie seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom August letzten Jahres möglich sind. Es ist wichtig, dass der DGB Mitveranstalter des Ostermarsches in Bruchköbel ist, es ist wichtig, dass der DGB zum Frankfurter Ostermarsch mit aufruft. Ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften, macht klar: die Gewerkschaften sind Teil der Friedensbewegung und kein Feigenblatt für die Kriegspolitik der Bundesregierung.
Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg!
Für eine Ostermarsch ohne Nazis!