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Sie handeln nicht in unserem Namen
Rede von Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Partei DIE LINKE, bei der Kundgebung "Bomben schaffen keinen Frieden. Kein Krieg in Libyen!" vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Liebe Berlinerinnen und Berliner, liebe Gäste, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, wir stehen hier am Pariser Platz, da drüben ist die französische Botschaft, dort ist die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, und um die Ecke ist die Botschaft von Großbritannien. Und wir wenden uns hier an die Botschafter dieser Länder: Sagen Sie Herrn Obama, sagen Sie Herrn Sarkozy, sagen Sie Herrn Cameron, sie sprechen nicht in unserem Namen! In unserem Namen darf kein Krieg geführt werden.
Der französische Präsident hat sich als Kriegsbefürworter besonders hervorgetan. Ist es nicht erstaunlich, dass der französische Präsident diese militärische Operation anführt? 2007 empfing Sarkozy den Diktator Gaddafi in Paris mit allen Ehren. Die französische Tageszeitung "Libération" kritisierte den Gaddafi-Besuch: "Nichts zwingt Frankreich, Gaddafi so beflissen zu empfangen und sich so würdelos zu benehmen." Doch Sarkozy konnte gar nicht unterwürfig genug sein, denn er wollte dem Diktator Waffen, Atomtechnologien und Flugzeuge verkaufen. Amnestie International kritisierte, dass das Gaddafi-Regime unschuldige Demonstranten getötet hatte. Auch das interessierte den französischen Präsidenten damals nicht. Doch jetzt kann es Sarkozy gar nicht schnell genug gehen, wenn es um den Einsatz militärischer Mittel geht. Plötzlich hat er ein Herz für das libyische Volk entdeckt, dass ihn noch vor wenigen Jahren völlig egal war. Wie kommt das? Im nächsten Jahr wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt und Sarkozy nutzt die Entwicklungen in Libyen, um Wahlkampf zu machen. Das ist die Wahrheit! Es geht Sarkozy nicht um Menschenrechte, sondern um seinen Machterhalt und um schmutzige Geschäfte mit Diktatoren. So etwas darf man nicht zulassen, meine Damen und Herren.
Die Bundesregierung hat sich im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution enthalten, das war richtig. Damit verhält sie sich vernünftiger als SPD und Grüne, die einen militärischen Einsatz in Libyen befürworten. Ist es nicht unglaublich, dass SPD und Grüne aus ihren Abenteuern in Jugoslawien und Afghanistan nichts aber auch gar nichts gelernt haben? Doch ich will die Bundesregierung nicht über alle Maßen loben. Denn sie will ihre Partner für ihre Nicht-Teilnahme am Libyen -Krieg entschädigen. Die Bundesregierung will mehr militärische Aufgaben in Afghanistan übernehmen. Dass die Bundesregierung wieder nur die halbe Wahrheit sagt und nur aus taktischen Erwägungen einen Militäreinsatz in Libyen ablehnt, ist empörend!
Schon die Schröder/Fischer-Regierung hatte erklärt, dass sie am Irak-Krieg nicht teilnehmen würde, was sich später als Lüge herausstellte. Die deutschen Geheimdienste haben dem US-Militär bei der Auswahl der Ziele geholfen und haben ihre Kräfte in Afghanistan verstärkt, um die USA zu entlasten. Enthaltung reicht nicht aus, Frau Bundeskanzlerin! Wir wollen von der Bundesregierung einen Ausstieg aus der Spirale der Gewalt. Wir wollen die Probleme in Afghanistan, in Libyen und in keinem Land der Welt mit militärischen Mitteln lösen! Denn es hat sich gezeigt, dass man die Probleme der Menschen mit kriegerischen Methoden nicht lösen kann. Wir befürchten, dass sich aus einem Luftangriff schnell ein langwieriger Krieg entzünden kann, mit unabsehbaren Folgen für die Zivilbevölkerung. Die Logik der militärischen Eskalation löst keine Probleme, sondern schafft noch größere.
DIE LINKE fordert:
- Gaddafi muss die Gewaltanwendung gegen sein eigenes Volk sofort beenden!
- Die Kanzlerin muss ihre Verbündeten auffordern, die Kriegshandlungen gegen Libyen sofort zu beenden.
- Die EU muss ihre gesamte diplomatische, politische und wirtschaftliche Autorität für ein Ende der Gewalt und Beginn von Verhandlungen einsetzen.
- Wir fordern eine rasche Aufnahme libyscher Flüchtlinge in europäischen Ländern.
- Das Waffenembargo muss konsequent durchgesetzt werden. Wir wollen ein unbefristetes Verbot von Waffenexporten in den gesamten Nahen Osten.
Wir wollen keinen zweiten Irak, Wir wollen kein zweites Afghanistan. Krieg war nie ein erfolgreiches Mittel zur Lösung politischer Konflikte. Wir wollen friedliche Lösungen in dieser Welt, und ich erwarte von der UNO, dass sie ihr ganzes Gewicht, ihre ganze Weisheit zusammennimmt, um sich friedliche Lösungen zu überlegen und die dann auch durchzusetzen. Es gibt so viele Möglichkeiten, politischen und ökonomischen Druck auszuüben. Auf dieser Basis kann man etwas erreichen, wenn man es denn will. Und wir müssen uns auch immer wieder die Frage stellen, warum es in bestimmten Ländern zu Kriegseinsätzen kommt und in anderen Ländern nicht. Der Satz, den wir 1991 alle gemeinsam hier in Berlin und anderswo gesagt und gerufen haben – Kein Blut für Öl! –, dieser Satz muss auch jetzt gelten. Es ist unsere Aufgabe, uns dafür einzusetzen und gemeinsam nach friedlichen Lösungen zu suchen.
Wir haben aber auch in den langen Jahren des Krieges in Afghanistan gelernt, wer sich gegen den Krieg zur Wehr setzt, braucht einen langen Atem. Ich danke Ihnen und Euch allen, dass Ihr heute gekommen seid, aber es werden noch viele Demonstrationen, Treffen, Mahnwachen und Aktionen nötig sein. Wir brauchen einen langen Atem, um uns diesen Kriegseinsätzen entgegenzustellen, und ich bitte Sie alle, haben Sie mit uns gemeinsam diesen langen Atem!