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Interviews, Länderberichte und andere Texte

Solidarität heißt: niemanden vergessen!
DIE LINKE

Solidarität heißt: niemanden vergessen!

Ein Konzeptpapier der LINKEN zur Aufnahme von Flüchtlingen in Corona-Zeiten

Solidarität wurde in den letzten Wochen oft beschworen und zu Recht. Denn sie ist in diesen schweren Stunden dringend nötig. Aber während über Corona-Maßnahmen zum Schutz der Menschen landauf und landab debattiert und entschieden wird, drohen zeitgleich viele Menschen vergessen zu werden. Abstand halten, sich vor der Pandemie schützen, ist gerade für viele Geflüchtete nicht möglich. Sei es in den Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland oder den Lagern an den europäischen Außengrenzen. Dezentrale Unterbringung - hier wie dort - ist das Gebot der Stunde, wenn das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ernsthaft für alle garantiert werden soll. Was außerhalb der deutschen Grenzen passiert, wird von der Bundesregierung ignoriert. An allen relevanten EU-Außengrenzen hat sich die Lage Geflüchteter dramatisch verschärft, unabhängig davon, ob sie auf dem Landweg oder über das Meer kommen. An der griechischen Grenze schrecken Grenzpolizist*innen auch nicht vor dem Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas zurück. In der Folge heißt das: das individuelle Recht auf Asyl wird nach Gutdünken teilweise oder ganz suspendiert.Ausdruck der humanitären Katastrophe sind die Hotspots auf den griechischen Inseln, wo ca. 40.000 Menschen unter schlimmsten Bedingungen in hoffnungslos überfüllten Lagern leben. Ein Drittel dieser Menschen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Moria auf Lesvos ist zum Symbol unmenschlicher Politik gegenüber Geflüchteten geworden. Viele antirassistische Organisationen der Zivilgesellschaft, zur Seenotrettung oder konkreten Solidarität vor Ort machen mobil gegen diese humanitären Missstände. Auch wir als LINKE fordern eindringlich von Bundesregierung und EU, für menschenwürdige Bedingungen an der EU-Außengrenze und innerhalb der EU zu sorgen! Infektionsschutz darf kein Privileg sein, Geflüchtete dürfen nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Handeln ist dringend geboten. Jetzt!

Es braucht deshalb auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ein sofortiges Solidaritätsprogramm! Wir fordern:

  1. Die Unterbringung von Geflüchteten soll insbesondere in der Corona-Pandemie dezentral in Familienwohnungen und auch für Alleinreisende in Wohnungen oder kleinen Wohngruppen einzeln sichergestellt werden. Geflüchtete müssen dringend Zugang in das Gesundheitssystem erhalten und nach dem Vorbild Portugals krankenversichert werden.
  2. Bundesländer, die bereit sind, Menschen aufzunehmen, sollen Landesaufnahmeanordnungen erstellen und verabschieden. In den Ländern, wo DIE LINKE an Regierungen beteiligt ist, setzen wir uns bereits jetzt aktiv dafür ein und machen den Anfang, damit andere Länder nachziehen!
  3. Die Landesaufnahmeprogramme dürfen nicht blockiert werden. Wenn Bundesländer ein sicherer Hafen sein wollen, dürfen ihnen dazu keine Steine in den Weg gelegt werden. Kommunen und Landkreisen die sich zum „sicheren Hafen“ erklärt haben, sind von Bund und Ländern unbürokratische und zusätzliche finanzielle Hilfen dafür zu gewähren!
  4. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre eigenen Beschlüssen umzusetzen, die menschenunwürdigen HotSpots endlich zu evakuieren und in einem ersten Schritt ein Bundesprogramm von mindestens 10.000 Personen aufzulegen. Außerdem muss endlich ein offener Familiennachzug ermöglicht werden.
  5. Niemanden zurücklassen: Solange Menschen vor Ort in den Lagern bleiben müssen, weil sie keine Möglichkeit haben, über ein Aufnahme- oder Relocationprogramm eine menschenwürdige Aufnahme zu erfahren, organisieren wir für sie Hilfe vor Ort. Bund und Länder sollen dazu in Abstimmung mit der griechischen Regierung durch Träger wie etwa dem THW oder DRK vor Ort den betroffenen Gemeinden helfen, um die medizinische und hygienische Versorgung der Menschen sicherzustellen.

Wir fordern den Bund auch dazu auf, Dublin-Rückführungen aus Deutschland zu stoppen! Die Bearbeitung von Asylanträgen muss hierzulande geschehen. Und wir fordern, Grenzschließungen für Drittstaatsangehörige zum Zweck der Familienzusammenführung aufzuheben und unverzüglich eine unkomplizierte Regelung zur Verlängerung der bereits erteilten Visa zu treffen, so dass kein erneutes Visaverfahren beginnen muss.

Wir fordern, dass überall in der EU in allen Kommunen Geflüchtete den gleichen Schutz vor COVID19 wie die Mehrheitsbevölkerungen erhalten.

Auf europäischer Ebene, im Zusammenhang mit dem „Pact on Migration“, den die Kommission Anfang Juni 2020 vorlegen wird, verlangen wir von Bundesregierung und EU-Kommission:

  • Wer europäischen Boden betritt, muss mit seiner Ankunft über alle Rechte verfügen, wie sie im Europäischen Gründungsvertrag festgeschrieben wurden. Es gibt ein unveräußerliches Recht auf Asyl.
  • die Beendigung der illegalen Hotspot-Politik und die Auflösung der Hotspots in Griechenland bis Ende 2020! Unverzüglich sollen alle unbegleiteten Kinder, Familien und besonders von Covid-19-gefährdete wie Alte und Kranke evakuiert werden!
  • ein europäisches Rettungssystem zur Rettung Geflüchteter einzurichten, das mit den zusätzlichen Mitteln für Frontex finanziert wird!
  • dafür einzutreten, dass Gewalt gegenüber Geflüchteten sowie illegale Pushbacks an den EU-Außengrenzen aufhören!
  • die Abschaffung des Dublin-Verfahrens. Bei der Verteilung sollen Belange Geflüchteter Berücksichtigung finden, wie Familienzusammenführung, sprachliche, kulturelle und andere Anknüpfungspunkte zu einem Mitgliedsstaat.
  • eine Task Force einzurichten, die die soziale Situation und die Unterbringung von Geflüchteten in den Mitgliedsstaaten unterstützt und kontrolliert.
  • ein verbindliches Resettlement-Programm aufzulegen, das die Ansiedlung Geflüchteter innerhalb der EU finanziell und logistisch unterstützt.
  • keine Deals mit Drittstaaten eingehen, die dazu dienen, Geflüchteten den Weg nach Europa zu versperren und das Recht auf Asyl auszuhebeln.
  • die staatliche Sorgepflicht in den Lagern wahrzunehmen und zugleich die Hilfe von NGOs und der Zivilgesellschaft nicht länger zu kriminalisieren.