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Verbot von Unternehmensspenden auch auf EU-Ebene ...
... ist die Forderung von Raju Sharma (MdB), Bundeschatzmeister der Partei DIE LINKE, und Dominic Heilig, Mitglied des Parteivorstandes
Immer dann, wenn sich PolitikerInnen bzw. Parteien und Unternehmen allzu nahe kommen, entflammt in der Bundesrepublik regelmäßig eine heftige politische Auseinandersetzung über die Parteispendenpraxis, Lobbyisten und deren Einfluss, Parteisponsoring und Abgeordnetenbestechung. Zwar haben diese Debatten - vor allem in Medien - Konjunktur, sind politisch aber kaum nachhaltig. Viel und oft wurde beispielsweise über die Vortragsgelder von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück berichtet und debattiert. Am Ende stand ein wenig glaubhafter freiwilliger Verzicht des Kandidaten auf Vortragshonorare bis zur Bundestagswahl im September 2013. An anderer Stelle wurde über die Lobbyarbeit von Unternehmen und Verbänden in Berlin und ein sogenanntes Lobbyistenregister gesprochen.
Auch der Wechsel von ehemaligen Politikerinnen und Politikern in die sogenannte freie Wirtschaft ist kaum über die Medien hinaus in den Parlamenten problematisiert worden. Ein wirklicher Durchbruch zu mehr Transparenz und zum Ausschluss von Lobbyeinflüssen auf die deutsche Legislative und Exekutive konnte demnach nicht verzeichnet werden. Vor zwei Jahren schließlich erregte ein neu bekannt gewordenes Geschäftsmodell - vor allem der großen deutschen Parteien - die Gemüter. Die Rede ist von dem sogenannten Parteiensponsoring. Parteien lassen sich unter dubiosen Umständen Veranstaltungen wie Parteitage oder Sommerfeste von Unternehmen sponsern. Etwa durch die Vermietung von Stand- und Präsentationsflächen in den Vorhallen von Parteitagen. Eine andere Variante ist der Verkauf von Anzeigenplätzen in Parteimedien zu horrenden, keinesfalls marktüblichen Preisen. Eine befriedigende, besonders aber rechtlich einwandfreie und transparente Lösung hierfür konnte im Bundestag seither nicht gefunden werden. Sponsoring bewegt sich in einer Grauzone, diese Zuwendungen an die Parteien tauchen in keinem Rechenschaftsbericht nachvollziehbar auf, sondern werden im Kapitel "Sonstige Einnahmen" summiert.
Fast alle im Bundestag vertretenen Parteien leben neben der staatlichen Parteienfinanzierung und den Beiträgen ihrer Mitglieder von Geldern aus der Wirtschaft.
Mit einer Ausnahme: Der Partei DIE LINKE.
Unternehmensspenden - Eine Frage der Millionen
2011 haben CDU und CSU mit Abstand die meisten Spenden einfahren können. Dies geht aus den Rechenschaftsberichten der Bundestagsparteien hervor, die Ende März veröffentlicht wurden. Allein die Union erhielt demnach 27,7 Millionen Euro an Spenden, gefolgt von der SPD mit 12,1 Millionen Euro. Die Grünen erhielten 4,8 und die FDP 6,6 Millionen Euro. DIE LINKE erhielt mit 1,9 Millionen Euro im Vergleich am wenigsten Spenden. Doch woher stammen die Spenden im Einzelnen? Während DIE LINKE von Unternehmen keine Spenden annimmt und auf die Spendenbereitschaft ihrer Mitglieder und Sympathisanten angewiesen ist, bilden Unternehmensspenden bei den anderen Parteien einen überproportional großen Anteil. Das ist ein Problem, denn in der Wirtschaft gibt es keine altruistischen Motive. Hier gilt das Prinzip von Leistung und Gegenleistung. DIE LINKE will Unternehmensspenden daher einen Riegel vorschieben.
Doch deutsche Parteien sind längst nicht nur in der Bundesrepublik, im Bundestag oder den Landtagen aktiv. Sie kandidieren auch für das Europäische Parlament und schließen sich dort, gemäß ihrer Parteifamilien, in Fraktionen zusammen.
Europäische Parteien gewinnen an Bedeutung - auch für Lobbyisten und Unternehmen
Darüber hinaus agieren deutsche Parteien von der Öffentlichkeit nahezu unbeobachtet nicht nur in den Fraktionen im Europäischen Parlament, sondern auch in sogenannten europäischen Parteien. Die CDU beispielsweise in der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die rechtsnationale und in Teilen antisemitische ungarische Regierungspartei FIDESZ angehört(1). DIE LINKE ist Mitglied der 2004 gegründeten Europäischen Linkspartei (EL).
Die europäischen Parteien sollen nunmehr, so ein Vorschlag der EU-Kommission, einen allgemeinen und gleichen europäischen Rechtsstatus erhalten. Seit September vergangenen Jahres liegt ein entsprechender Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über das "Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und Stiftungen" vor. Die Herstellung eines europäischen Rechtsstatus wird von der LINKEN ausdrücklich begrüßt.
Nach Artikel 10 des Vertrages über die EU tragen "politische Parteien auf europäischer Ebene […] zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei". Derselbe Grundsatz findet sich auch in der Charta der Grundrechte der EU. Neun Jahre nach Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelung für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihrer Finanzierung und fünf Jahre nach ihrer Überarbeitung im Jahr 2007 soll nun eine neue Verordnung Rechtssicherheit und -klarheit schaffen. Bislang sind die meisten europäischen Parteien lediglich als Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht nach belgischem Recht (asbl) verfasst.
Die neue Verordnung, deren EU-Kommissionsvorschlag derzeit im EU-Parlament und den europäischen politischen Parteien diskutiert wird, beschreibt nicht nur strukturelle und demokratietheoretische Vorgaben an die Subjekte, die erfüllt werden müssen, um als europäische Parteien anerkannt zu werden, sondern auch Regelungen zur Finanzierung der europäischen Parteien.
Europäische Parteien erhalten für ihre Arbeit u.a. Mittel aus dem EU-Haushalt. 15 Prozent der dafür bereitstehenden Mittel werden zu gleichen Teilen auf die europäischen Parteien verteilt. Die verbleibenden 85 Prozent werden gemäß ihrer gewählten Mitglieder im Europäischen Parlament aufgeteilt. Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit besteht in Beitragszahlungen der Mitglieder einer europäischen Partei, die jedoch 40 Prozent des Jahresbudgets einer europäischen Partei nicht übersteigen dürfen.
Schließlich aber werden in dem Vorschlag der EU-Kommission für eine solche Verordnung auch Finanzierungsmöglichkeiten durch sogenannte Spenden formuliert.
Die Spendenpraxis für europäische Parteien
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass europäische Parteien Spenden von natürlichen und juristischen Personen bis zu einem Wert von 25.000 Euro pro Jahr und Spender annehmen dürfen. Diese Spender müssen in einem jährlichen Rechenschaftsbericht aufgeführt werden. Einzelspenden im Wert von mehr als 12.000 Euro müssen dagegen unverzüglich gegenüber dem Europäischen Parlament angezeigt und gemeldet werden. Verboten sind anonyme Spenden, Spenden aus den Fraktionen des Europäischen Parlaments sowie von Unternehmen der öffentlichen Hand oder solchen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist.
Im Grundsatz begrüßen wir diese - gemessen an den deutschen Reglements - engen Rahmenvorgaben für Spenden natürlicher wie juristischer Personen. Und dennoch glauben wir, dass mit der Neufassung der Bestimmungen über europäische Parteien im Entwurf der EU-Kommission die Chance verpasst wurde, zu einer Entflechtung von politischen Parteien und unternehmerischem Einfluss bzw. Lobbyverbänden beizutragen. Zum einen stellt die Möglichkeit der Abgabe einer Spende von 25.000 Euro jährlich eine quasi Verdoppelung zur bisherigen Regelung dar. Zum zweiten aber, und dies scheint uns zentral, wird durch die Beibehaltung der Möglichkeit von Unternehmensspenden und des Parteiensponsorings der eigentliche politische Charakter europäischer Parteien und deren Funktion, wie sie in Artikel 10 des EU-Vertrages festgeschrieben sind, verwässert und negiert. Denn europäische Parteien sollen zur "Herausbildung eines europäischen Bewusstseins unter den Bürgerinnen und Bürgern" beitragen. Hierbei geht es nicht um die Herausbildung eines europäischen Bewusstseins von Unternehmen und Verbänden. Diese haben EU-Europa als Markt bereits seit langem, viele seit der Gründung der EWG und der EG als Wirtschaftsunion begriffen und dementsprechend agiert. Ein europäisches Bewusstsein ist dahinter in den seltensten Fällen zu erkennen.
Die Einrichtung der Möglichkeit von Unternehmensspenden für europäische Parteien ignoriert zudem den überaus mächtigen und ausgeprägten Lobbyistendschungel in Brüssel und Straßburg. Dort haben die Umsätze der Lobbyisten die Milliardenmarke längst überschritten, während das 2011 eingeführte Transparenzregister das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt ist: Die Registrierung ist weiterhin freiwillig; zwar müssen sich Lobbyisten, wenn sie in den Genuss eines Hausausweises für das Europäische Parlament kommen wollen, als solche eintragen lassen. Wer aber einmal um den Place Luxemburg vor dem Europäischen Parlament in Brüssel herumgestreunt ist, erkennt schnell, dass es längst nicht mehr zwingend notwendig ist, das Parlamentsgebäude selbst zu betreten, um mit Abgeordneten und Parteivertretern "ins Gespräch" zu kommen.
Ein Verbot von Unternehmensspenden und des Parteien-Sponsorings wäre also ein erster, aber wirkungsvoller Schritt, um die Einflusssphäre von Lobbyisten, Verbänden und Unternehmen auf die europäische Gesetzgebung zu begrenzen.
Wir fordern deshalb ein Verbot von Unternehmensspenden auf europäischer Ebene
Sinnvoll erscheint es uns daher, dass
- die Europäische Linkspartei (EL) sich nach dem Vorbild der Partei DIE LINKE auf europäischer Ebene dazu verpflichtet, keine Spenden von Unternehmen oder Interessensverbänden anzunehmen und auf Sponsoring zu verzichten.
- sich DIE LINKE und die EL bei den anderen europäischen Parteien dafür stark machen, ebenfalls eine solche Selbstverpflichtung einzugehen.
- sich DIE LINKE und die EL bei den anderen europäischen Parteien und deren Fraktionen im Europäischen Parlament dafür einsetzen, den Vorschlag der EUKommission (mindestens) in diesem Punkt abzuändern oder abzulehnen.
- sich alle deutschen politischen Parteien in ihren europäischen Parteifamilien dafür einsetzen, dass an dieser Verordnung der EU-Kommission Nachbesserungen vorgenommen werden.
Europäische Parteien sind - im Gegensatz zu den Fraktionen im Europäischen Parlament - noch recht junge Gebilde. Ihr Einfluss ist noch begrenzt, ihre öffentliche Wirkung zurzeit für die meisten Bürgerinnen und Bürger der EU kaum wahrnehmbar. Diese fragilen Gebilde können aus unserer Sicht nur dann wachsen, an Glaubwürdigkeit gewinnen und ihrer Funktion nachkommen, wenn sie nicht bereits in ihrer Kindheitsphase unternehmerischen Einflüssen und schädlichen Entwicklungen ausgesetzt sind.
In einem ersten Schritt wird daher Raju Sharma, als Mitglied des Rates der Schatzmeister der Europäischen Linkspartei, diese Vorschläge in der kommenden Beratung des Vorstandes der Europäischen Linkspartei vorstellen. Danach wird er sich in einem Brief an die Schatzmeister der im Bundestag vertretenen Parteien wenden und um Unterstützung werben.
Anmerkung
(1) Vgl. Stefan Liebich (MdB): Rede im Deutschen Bundestag zur Situation in Ungarn, www.stefanliebich.de/de/article/3500.kein-stimmrecht-f%C3%BCr-ungarn.html