Ausländeramt in Bonn soll keine Abschiebehaft mehr beantragen
Die Linksfraktion will mit einer Initiative für die kommende Ratssitzung erreichen, dass vom Bonner Ausländeramt keine gerichtlichen Anträge auf Abschiebehaft mehr gestellt werden. Der Rat soll damit die Konsequenz aus den Urteilen des Europäischen sowie des Bundesgerichtshofs ziehen, die in grundlegenden Urteilen wesentliche Teile der deutschen Abschiebhaftpraxis für rechtswidrig erklärt haben.
Insbesondere hatten die höchsten Gerichte den europarechtswidrigen Vollzug der Abschiebehaft, speziell auch in Nordrhein-Westfalen, untersagt, da sie in regulären Haftanstalten erfolgte. In NRW stehen damit keine europarechtskonformen „speziellen Hafteinrichtungen“ zur Verfügung, die Vollstreckung von Abschiebehaft müsste demnach eigentlich ausgesetzt werden.
Während ein Teil der Inhaftierten tatsächlich freigekommen ist, werden andere Abschiebehäftlinge aus NRW und auch aus Bonn nun in eine Hafteinrichtung nach Berlin „verfrachtet“, um dort auf ihre Abschiebung zu warten. Für die betroffenen Flüchtlinge wird auf diese Weise der Kontakt mit FreundInnen, Angehörigen oder ihren AnwältInnen massiv erschwert bzw. unmöglich. Diese Verbringung muss nach Auffassung der Linksfraktion deshalb sofort gestoppt und die Betroffenen entlassen werden. Die Linksfraktion kritisiert auch, dass sich die Verwaltung In einer Stellungnahme ihrer Verantwortung entzieht und darauf verweist, dass die Abschiebungshaft der Anordnung des Amtsgerichts bedarf. „Diese rein formale Argumentation verkennt, dass das Ausländeramt den vorangehenden Antrag auf Haft stellt und hierbei auch nach Ermessen handelt. Abschiebehaft ist also kein Automatismus.“, erklärt Holger Schmidt.
Abschiebehaft für Menschen, denen keine wirklichen Straftaten, sondern allein ihr Aufenthaltsort zum Vorwurf gemacht wird, ist schon aus humanitären Gründen ein Skandal. Doch auch die juristische Grundlage ist in den allermeisten Fällen äußerst fragwürdig. Selbst ein Richter des Bundesgerichtshofs schätzte, dass in 85-90 Prozent aller Fälle die Abschiebehaft einer Überprüfung durch den BGH nicht standhält.[1]
„Es ist kein Verbrechen, wenn Menschen nach Bonn fliehen und hier leben wollen. Die aktuellen Urteile u.a. des Bundesgerichtshofs zeigen, dass Abschiebehaft im Regelfall auf keiner gesicherten Rechtsgrundlage verhängt wird. Daraus sollte der Stadtrat die Konsequenz ziehen und die inhumane Beantragung von Abschiebehaft durch die Stadt Bonn beenden.“, betont Schmidt abschließend.
[1]Vgl. Professor Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch: Freiheitsentziehungssachen gem. §§ 415 ff. FamFG, NVwZ (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht) 3/2014, 110-121, 110.