DIE LINKE sieht Vogelsberger Gesundheitsversorgung in akuter Not
Lauterbach - Die Vogelsberger Gesundheitsversorgung leide akute Not. Sofortmaßnahmen seien notwendig und auch nachhaltige Konzepte zur Sicherung einer guten medizinischen Versorgung der Bürger seien dringend notwendig, fordert der Kreistagsabgeordnete der Vogelsberger Linken, Michael Riese, in einer Presseerklärung.
Die drohende Schließung der geburtshilflichen Abteilung im Eichhofkrankenhaus Lauterbach kündigte sich schon vor einem Jahr an. Im Alsfelder Krankenhaus stieß in der Geburtshilfe die drohende Umstellung auf ein sogenanntes „Beleghebammensystem“ auf harsche Kritik der Ärzte, die durch die Umstellung und die damit verbundene Personalreduzierung eine Gefährdung ihrer Arbeit sahen. Schon Anfang 2007 wurde die Hals-Nasen-Ohren-Abteilung nach Alsfeld verlagert und die Urologie nach Lauterbach. Im Jargon der verantwortlichen Politiker wird diese Verschlechterung der ortsnahen Versorgung mit Floskeln der verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern Lauterbach und Alsfeld garniert.
Noch größere Gefahren für die gesundheitliche Versorgung erwachsen den Vogelsbergern, weil Arztpraxen, jetzt vor allem bei den Hausärzten nicht weiter betrieben werden können, wenn ein Arzt die Altersgrenze erreicht oder auch aus anderen Gründen seine Praxis aufgibt. Es finden sich laut einer Pressemitteilung der partie LINKE zu den gegenwärtigen Bedingungen keine Ärzte, die diese Praxen übernehmen wollen. In Alsfeld und Romrod ist das inzwischen ein brennendes Problem geworden.
Rein statistisch siehe die für die Versorgung zuständige hessische Kassenärztliche Vereinigung keine Unterversorgung für den Vogelsberg. Man mute den Patienten, die ihren Hausarzt verlieren, eben weitere Wege zu einem anderen Arzt an einem anderen Ort im Vogelsberg zu. Akut versuchten die Ärzte die entstandene Lücke provisorisch zu schließen, indem sie zusätzliche Patienten versorgen. Sie tun dies um den Preis, dass ihnen Leistungen dafür nicht vergütet werden. Vor diesem Hintergrund nütze es wenig, wenn einige Bürgermeister die amtierende Sozialministerin in den Vogelsberg laden oder Landrat Marx mit dem Landkreistag konferiert. Als Sofortmaßnahme solle von ihnen im Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine partielle Unterversorgung im Vogelsberg festgestellt werden.
Seit März 2008 könne mit der Änderung der „Bedarfsplanungs-Richtlinie“ ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf innerhalb eines Planungsbereichs in der vertragsärztlichen Versorgung festgestellt werden, auch wenn in diesem Planungsbereich keine Unterversorgung laut Bedarfsplanung vorliege, so die bürokratische Formulierung. Eine Unterversorgung feststellen zu lassen, sei deshalb dringend, weil dann einige Maßnahmen greifen könnten, die kurzfristig zur Entspannung der Lage führen; so dürften dann unter anderem Ärzte ihre Praxis zunächst auch über das 68 Lebensjahr hinaus weiterführen und müssten nicht schließen.
Die Einladung der Sozialministerin in den Vogelsberg, sich ein Bild vom Ärztenotstand zu machen, sei löblich, erwecke aber den Eindruck, als hätten die gesundheitspolitischen Beschlüsse der damaligen rot-grünen Bundesregierung und die jetzige Fortsetzung dieses Kurses einen Webfehler, der zu diesem ungewollten Ärztenotstand führe. Aber die jetzige Entwicklung sei der rote Faden der Gesundheitspolitik der großen Koalition und werde noch dramatischere Folgen haben, wenn man dem keine Schranken setze, sagte Riese.
Gesundheit sei ein beeindruckender Wirtschaftsbereich. Die gesetzliche Krankenversicherung und das deutsche Gesundheitswesen bewegten derzeit rund 240 Milliarden Euro im Jahr. In einer Studie bewerte der bekannte Unternehmensberater Roland Berger das Volumen des nicht umlagefinanzierten Anteils (private Zahlungen) im Gesundheitswesen 2007 auf gut 60 Milliarden Euro, dies mit steigender Tendenz. Für internationale Investoren tue sich eine lohnende Anlagesphäre auf, wenn Hemmnisse weiterer Privatisierung beseitigt werden können. Das sei Inhalt und Kern der Gesundheitspolitik der Bundesregierung.
Wenige große private Klinikketten, wie Rhönklinken, Asklepios und Fresenius, die miteinander im Jahr 2007 sieben Milliarden Gewinn erzielt hätten, schicken sich an, den Gesundheitsmarkt unter sich aufzuteilen. Der Konzernchef der Rhönklinken AG Wolfgang Pföhler verkündete im April 2008 strategisch in die ambulante Versorgung vorzudringen. Dabei sei klare Absicht, die Leistungen der Arztpraxen und die Patientenströme in die eignen Häuser zu verlagern. Wohlklingende Namen wie „integrierte Patientenversorgung“ und Medizinische Versorgungszentren“, die den Eindruck erwecken, hier ginge es um neue, moderne und effektivere Formen der guten Patientenversorgung dienen seitens der Gesundheitskonzerne dazu, stationäre und ambulante Versorgung ganzer Regionen in die Hände zu bekommen und industriell zu organisieren.
Die Rhönklinken hätten bisher einmalig in Deutschland mit Hilfe der hessischen CDU die Unikliniken in Marburg und Gießen gekauft. Betriebswirtschaftlich-ökonomische Aspekte bestimmen zunehmend die Entwicklung an diesen Häusern mit negativen Folgen für das Klinikpersonal und die Patienten. Wenn die Häuser der Rhön AG profitabel arbeiten sollen, dann müssten die mittelhessischen Patienten auch alleine in deren Einrichtungen behandelt werden.
Bei besagtem Pföhler solle sich das so angehört haben: „Wir sind daran interessiert, dass möglichst viele Patienten zu uns kommen, damit wir die Vorteile der Massenfertigung in der Medizin und die Kostendegression bei der Qualitätssteigerung voll nutzen können“ (zitiert nach Hartwig 2008).
Vor diesem Hintergrund könne den Gesundheitskonzernen das Ärztesterben im Umkreis ihrer Kliniken nur recht sein. Aber auch die lokalen kleinen Krankenhäuser seien bedroht. Im Krankenhaus-Rating-Report 2006 werde die Schließung von zehn Prozent der unter den neuen DRG-Bedingungen (Fallpauschalen) arbeitenden Krankenhäuser empfohlen. Dies würde 3,3 Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die verbleibenden Kliniken spülen.
Die kleinen Krankenhäuser, wie das Alsfelder, störten die Rentabilitätsaspekte der privaten Großen. Wolle man das Alsfelder Kreiskrankenhaus als Stütze der Vogelsberger Gesundheitsversorgung sichern, dann sei seine vollständige Kommunalisierung dringend geboten, sagte Riese.
Derzeit gebe es noch scheinbar viele Widersprüche zwischen den Patienten und den Ärzten, es werde unterstellt, die Ärzte zocken die Patienten ab oder behandelten nur Privatpatienten gut. Es gebe Widersprüche zwischen den Klinikärzten und dem Personal, weil unterstellt werde, die Ärzte erstritten sich Gehaltserhöhungen auf Kosten der anderen Beschäftigten und gefährdeten deren Arbeitsplätze. Den drohenden Entwicklungen durch die fortschreitende Kommerzialisierung werde man aber nur einen Riegel vorschieben können, wenn sich Patienten, Ärzte und Krankenhauspersonal zu gemeinsamen Aktionen vernetzen.
Da treffe es sich gut, dass der Vogelsberger DGB für den 7. August in Lauterbach eine Veranstaltung zum Gesundheitswesen im Vogelsberg plant, sagte Riese abschließend.