Zum Hauptinhalt springen
Frankfurt am Main

Und sie speichern doch

Die Reaktion auf fast jeden Terrorakt ist die Forderung nach mehr Überwachung und der Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. Tatsächlich gibt es diese heute schon, in Lebensbereichen, die tief in den Alltag der Bevölkerung wirken. Dies zeigt ein aktuelles Beispiel der Stadt Frankfurt. Die protokoliert minutiös die Nutzung des Internets, bis hin zu jeder aufgerufenen Seite, z. B. in Stadtbibliotheken oder auch von Mitarbeitern der städtischen Verwaltung. Zu dem Ergebnis, dass dies rechtswidrig ist, kommt jetzt ein Rechtsgutachten des Richters am Verfassungsgericht des Landes Berlin, Meinhard Starostik. Die Fraktion DIE LINKE im Römer fordert daher, dass die Vorratsdatenspeicherung der Stadt Frankfurt sofort beendet wird und rechtswidrig erhobenen Verkehrsdaten gelöscht werden.

Von dieser systematischen Überwachung sind besonders Menschen betroffen, die sich einen eigenen Internetzugang nicht leisten können und das kostenlose Angebot in städtischen Bibliotheken nutzen; tausende städtische Angestellte, denen die außerdienstliche Nutzung des Internets betrieblich erlaubt ist; Schülerinnen und Schüler oder die Stadtverordneten und Fraktionsbüros im Römer sind davon betroffen. So ließen sich aufgrund der aufgerufenen Seiten detaillierte persönliche Profile erstellen.

 

Das geht seit Jahren so. Der ehemalige Stadtrat Volker Stein behauptete im Rechtsausschuss Anfang 2012 auf einen entsprechenden Antrag der ELF Piraten Fraktion, die Stadt betreibe keine Vorratsdatenspeicherung. Der Stadtverordnete Martin Kliehm ließ nicht locker, rief testweise Webseiten über seinen Zugang in der Stadtbücherei auf und verlangte Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten gemäß Hessischem Datenschutzgesetz. Das Ergebnis für 15 Minuten Nutzung waren ausgedruckt sage und schreibe 81 Seiten Verkehrsdaten!

 

Ein im Auftrag der Fraktion erstelltes Rechtsgutachten des Richters am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Meinhard Starostik, kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Erhebung und Speicherung der Nutzungsdaten rechtswidrig ist. Sie verstößt u.a. gegen das Telekommunikationsgesetz, das Hessische Datenschutzgesetz und das Grundgesetz. Der Prozess ist irreführend gestaltet und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte dar. Die Vorratsdatenspeicherung im Netz der Stadt Frankfurt ist nach Ansicht des Gutachters völlig unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

 

„Entweder war Stadtrat Stein inkompetent, oder er hat den Ausschuss bewusst belogen. Die Vorratsdatenspeicherung der Stadt Frankfurt muss sofort beendet und die rechtswidrig erhobenen Verkehrsdaten gelöscht werden“, fordert der inzwischen zur Fraktion DIE LINKE. im Römer übergetretene Stadtverordnete Kliehm. „Das Gutachten besagt, dass ein einfacher Hinweis, bitte die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten und nichts Verbotenes zu tun, völlig ausreichen würde. Es müssen überhaupt keine Daten gespeichert werden!“

 

Das Gutachten hat darüber hinaus Bedeutung zur Störerhaftung, wenn die Stadt ein eigenes WLAN an öffentlichen Plätzen anbieten möchte. Der Hinweistext würde sie von der Haftung befreien, ebenso wie es in Hotels gängig ist. „Alternativ kann die Stadt wie verschiedene Freifunk-Initiativen bei der Bundesnetzagentur den Status als Internetserviceprovider beantragen. Auch die Telekom haftet ja nicht für Dinge, die ihre Nutzerinnen und Nutzer im Internet machen“, ergänzt Martin Kliehm, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion. „Ein solch schwerwiegender Eingriff in unsere Grundrechte ist durch nichts zu rechtfertigen!“