Kommunalfinanzen
Viele Kommunen leiden unter chronischer Unterfinanzierung. Dies führt in beinahe allen Regionen des Landes dazu, dass etliche Kommunen die Verhältnisse vor Ort nicht mehr aktiv gestalten bzw. die Bedürfnisse vor Ort nicht mehr ausreichend bedienen können. Ihre Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und oftmals wird nur noch der Mangel verwaltet. Einige Kommunen können nicht einmal mehr ihren pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben nachkommen. Deshalb müssen die Kommunen wieder in die finanzielle Lage versetzt werden, um ihre Aufgaben zu erfüllen: Kindertagesstätten und Schulen, der öffentliche Nahverkehr und die Wasserversorgung, Kultur und Sport, Feuerwehr und Rettungsdienst, Straßen und Radwege, das alles und noch viel mehr gehört in ihren Aufgabenbereich und zur öffentlichen Daseinsvorsorge der Kommunen.
Zwar können Kommunen nach Jahren des Defizits 2017 teilweise weiter mit Haushaltsüberschüssen (2,5 Milliarden Euro mehr als in der Steuerschätzung vom November 2016 veranschlagt) rechnen und profitierten damit von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung, jedoch steigt auch die Aufnahme von Kassenkrediten kontinuierlich an. Lagen diese 1992 noch bei 1,4 Milliarden Euro, waren es Anfang 2015 schon über 51 Milliarden Euro, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 2016 ermittelte. 2020 werden Kassenkredite von über 70 Milliarden Euro erwartet. Kassenkredite werden längst nicht mehr als kurzfristige Finanzierungshilfe genutzt, sondern sind zum festen Bestandteil der Finanzierung laufender Ausgaben geworden. Die Stadt Essen hat beispielsweise Kassenkredite im Wert von 2,4 Milliarden Euro (Stand Juli 2017). Dies zeigt eine erhebliche Ungleichentwicklung zwischen wirtschaftlich starken und weniger leistungsfähigen Kommunen. Zur Sanierung der kommunalen Haushalte sind inzwischen in neun Bundesländern (z.B. in Hessen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Schleswig-Holstein) kommunale Entschuldungsprogramme aufgelegt worden. In Nordrhein-Westfalen verpflichtete das Land sogar einige Kommunen zur Teilnahme am Programm.
Verantwortlich für die Fehlentwicklung ist die Bundespolitik. Diverse Bundesregierungen haben den Kommunen im Sozialbereich Aufgaben übertragen, beziehungsweise die Aufgaben erweitert, ohne deren Finanzierung sicher zu stellen. In den vergangenen zehn Jahren sind so z.B. die Sozialausgaben in den Kommunen um über 50% gestiegen. 2014 zahlten die Kommunen bundesweit rund 78 Milliarden Euro an Sozialleistungen, Tendenz weiter steigend. Die Partei DIE LINKE ist daher für die strikte Einhaltung der Konnexität („Wer bestellt, bezahlt.“).
Besorgniserregend ist auch der Stau bei den Investitionen (Schulgebäude, kommunaler Wohnungsbestand, Straßen). Im ersten Quartal 2017 wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von einem Investitionsstau von 126 Milliarden Euro (Stand Juli 2017) in den Kommunen ausgegangen. Dies wirkt sich enorm auf die Handlungsfähigkeit der Kommunen aus. Oftmals kann nur noch reagiert aber nicht mehr aktiv gestaltet werden. Die Partei DIE LINKE fordert daher eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der Kommunen. Laufende Bundesprogramme müssen verstetigt und dem Bedarf angepasst werden. Eine Vielzahl von Kommunen kann sich nicht einmal die im Verhältnis geringen Eigenanteile an Bundesprogrammen leisten, um für nötige und allein kaum finanzierbare Investitionen Fördermittel zu bekommen. Deshalb können diese Kommunen letztlich auch nicht von den Förderprogrammen des Bundes profitieren. Darunter leidet vor allem die öffentliche Daseinsvorsorge, aber auch die wirtschaftliche Standortentwicklung. In der Folge werden ärmere Kommunen langfristig gesehen immer ärmer. Die Spaltung der kommunalen Familie in arm und reich wird dadurch massiv vorangetrieben. Der Eigenanteil von Kommunen muss daher dringend abgeschafft werden.
Außerdem muss der kommunale Einnahmeanteil am Gesamtsteueraufkommen von zurzeit rund 13 Prozent angehoben werden. Daneben müssen die eigenen kommunalen Einnahmen höher und verlässlicher ausfallen. Die derzeit wichtigste kommunale Steuereinnahmequelle ist die Gewerbesteuer. Sie bildet ein Band zwischen den Städten und Gemeinden und der vor Ort ansässigen Wirtschaft. Städte und Gemeinden schaffen die notwendige Infrastruktur und unterstützen sowie kümmern sich um die Ansiedlung von Unternehmen. Die Partei DIE LINKE will die Gewerbesteuer dazu zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln, um als originäre Kommunalsteuer die Einnahmeseite der Kommunen zu verbessern. Dafür müssen die Bemessungsgrundlage erweitert und freie Berufe, wie vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gefordert, mit einbezogen werden (siehe Anträge mit den Drucksachennummern 18/1094, 18/3838 im Bundestag).
Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen ist nach Auffassung der Partei DIE LINKE zu sichern, zu fördern und zu verbessern, da sie ein wichtiger Bestandteil der kommunalen Finanzen ist. Kommunale Unternehmen sowie deren Gründungen müssen daher seitens des Bundes gefördert werden, vornehmlich in Organisationsformen des öffentlichen Rechts (Regiebetriebe, Eigenbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts). Vorhandene Einschränkungen müssen abgebaut, interkommunale Zusammenarbeit zum Vorbild und im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge eine Präferenz zugunsten der öffentlichen Hand erreicht werden. Soziale und ökologische Kriterien müssen für kommunale Unternehmen selbstverständlich werden. Diese Maßnahmen fördern nicht nur regionale Wirtschafts- und Finanzkreisläufe und schaffen Arbeitsplätze in den Kommunen, sie sorgen auch dafür, dass vor Ort erwirtschaftetes Geld nicht abfließen, sondern den Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu Gute kommen kann. Dies stärkt in vielerlei Hinsicht die Einnahmeseite der Kommunen. Zudem vergeben kommunale Betriebe in öffentlicher Hand Aufträge eher an Unternehmen in der Region. Damit profitiert auch die private Wirtschaft (siehe Antrag mit der Drucksachennummer 18/12365 im Bundestag).
Zusätzlich muss die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen durch eine Gemeindefinanzreform sichergestellt werden. Seit vielen Jahren versprechen Bund und Länder eine solche Gemeindefinanzreform - passiert ist bislang jedoch nichts. Bei der vergangenen Föderalismusreform kam es zu einem kleinen Fortschritt. Das Recht des Bundes, den Kommunen direkt und unmittelbar Aufgaben zu übertragen, ist weggefallen. Aber bei den bis dato übertragenen Pflichten bleiben die Landkreise, Städte und Gemeinden weiterhin auf den Kosten sitzen. Die Partei DIE LINKE fordert daher eine Gemeindefinanzreform, die 100 prozentige Anrechnung der kommunalen Finanzkraft im Länderfinanzausgleich und einen Altschuldenfonds für überschuldete Kommunen. Außerdem will DIE LINKE die Übernahme aller Sozialausgaben durch den Bund (siehe dazu Antrag mit der Drucksachennummer 18/3573 im Bundestag) und einen Solidarpakt III für strukturschwache Regionen in Ost- und Westdeutschland (siehe dazu Antrag 18/9847 im Bundestag).