Klimagerechtigkeit und Energiewende
Um das Klima zu retten, ist ein grundlegender Wandel unserer Gesellschaft notwendig. Aber die Regierung verzögert mit falschen Weichenstellungen im Interesse von Konzernen die Klima-, Energie- und Verkehrswende. Der Kohleausstieg kommt zu spät. Mit der Politik der Großen Koalition kann das 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung nicht erreicht werden. Obwohl alle wissen, dass das Klima so nicht gerettet werden kann. Die Kosten der Klimakrise wollen CDU, SPD und Grüne auf die Menschen abwälzen. Dabei sind es die Konzerne, die mit ihren klimaschädlichen Geschäftsmodellen Profite machen: 100 Unternehmen sind für 70 Prozent des globalen industriellen CO2-Ausstoßes verantwortlich. DIE LINKE steht für einen sozial-ökologischen Systemwechsel: Dafür, dass Mensch und Natur nicht ausgebeutet werden. Dafür, dass nicht der Geldbeutel entscheidet, ob man sich einen ökologischen Lebensstil leisten kann. Nach Zahlen der Nichtregierungsorganisation Oxfam stoßen die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland pro Kopf etwa 4,5-mal so viel CO2 aus wie die unteren 50 Prozent. Der Klimawandel wird nicht von den Menschen gemacht, sondern von den Reichen – mit zahlreichen Reisen, großen Immobilien und Yachten. Den Preis dagegen zahlen die Armen, die sich nicht gegen Klimaschäden versichern können oder bei steigenden Lebensmittelpreisen das Essen nicht mehr werden leisten können. Wir wollen eine sozial-ökologische Wende, von der alle Menschen durch bezahlbare Energie, erschwingliche Mobilität, gesunde Nahrungsmittel und mehr Lebensqualität profitieren. Dafür wollen wir die großen Konzerne entmachten und die Produktion an sozialen und ökologischen Zielen ausrichten.
Ein sozial-ökologische Systemwechsel in Deutschland ist auch eine Frage der sozialen und der globalen Gerechtigkeit. Die Länder des Globalen Südens sind von der Klima- und Umweltzerstörung besonders stark betroffen und am wenigsten dafür verantwortlich. Klimagerechtigkeit bedeutet auch, Rohstoff- und Ressourcenverbrauch hierzulande zu verringern und sich für eine gerechte Verteilung von Rohstoffen und Ressourcenverbrauch einzusetzen.
Unsere Hoffnung sind die Millionen Menschen, die in den letzten Jahren auf der Straße waren und für Klimagerechtigkeit gestreikt haben. Wir stehen an der Seite der Klimabewegung und unterstützen Forderungen nach einer sozial gerechten Klimawende hin zu Klimaneutralität innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte.
Unser Programm für konsequenten Klimaschutz und Klimagerechtigkeit:
- Wir fordern die Energiewende mit 100% Erneuerbaren bis 2035. Wir wollen den Kohlausstieg bis spätestens 2030. Wir wollen die Energiekonzerne entmachten und eine Energiewende in Bürgerhand, in öffentlichem oder genossenschaftlichem Eigentum.
- Wir wollen, dass die Bundesrepublik bis spätestens 2040 keine Treibhausgase mehr produziert. Die genannten Ziele müssen in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden. Emissionshandel bietet keinen wirksamen Klimaschutz.
- Strom, Gas, Wasser, Heizung dürfen nicht abgestellt werden. Energiesperren, die einkommensarme Haushalte treffen, wollen wir verbieten und ein preisgünstiges Grundkontingent für Strom, Wasser und Heizstoffe einführen.
- Wir fordern, dass Klimaschutz als Erweiterung der Grundrechte in der Verfassung aufgenommen wird. Alle Entscheidungen der Politik und die Verfügung über Eigentum müssen am Gemeinwohl ausgerichtet werden, dazu gehören Klimaschutz und der Abbau von sozialer Ungleichheit. Verbindliche Klimaziele und Emissionsgrenzen müssen den Konzernen klare Vorgaben machen.
Raus aus der Kohle, Übergänge gerecht gestalten
Die Pariser Klimaschutzziele erfordern ein Auslaufen der deutschen Kohleverstromung bis spätestens 2030, und nicht erst 2038, wie die Große Koalition 2019 im Kohleausstiegsgesetz beschlossen hat. Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung muss arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpolitisch begleitet werden. Interessenvertreter*innen der Beschäftigten vor Ort und der Region müssen eingebunden und Kündigungen vermieden werden. DIE LINKE fordert ein nationales Kohleausstiegsgesetz mit folgenden Eckpunkten:
- Der schrittweise Kohleausstieg beginnt sofort. Spätestens 2030 muss der letzte Kohlemeiler vom Netz. Der Neubau von Kohlekraftwerken sowie für den Neuaufschluss und die Erweiterung von Braunkohletagebauen wird verboten. Das 2020 neu in Betrieb genommene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird wieder vom Netz genommen.
- Der Strukturwandel in den Tagebauregionen darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und Revieren erfolgen. Es braucht in den nächsten Jahren 40 Milliarden, um die Übergänge gerecht zu gestalten. In vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen wollen wir Transformationsräte einrichten, die den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft fachlich begleiten. Diese sollen Initiativrecht über die Gelder aus dem Transformationsfonds und der regionalen Infrastrukturpolitik haben. Die Räte müssen finanziell angemessen ausgestattet sein, um ihre Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. Sie setzen sich zusammen aus Vertreter*innen von Wissenschaft, Umwelt- und Verbraucherverbänden, Gewerkschaften sowie zur Hälfte aus direkt gewählten Bürger*innen und Vertreter*innen der Belegschaften.
- Für den Braunkohleabbau dürfen keine weiteren Dörfer abgebaggert werden, der Hambacher Forst darf nicht weiter zerstört werden.
- Entschädigungen an Betreiber nur für nachzuweisende tatsächliche Mehrkosten infolge eines vorgezogenen Kohleausstiegs.
- Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Betreiber ihren Verpflichtungen aus dem Bergrecht nachkommen: Tagebaue müssen wieder nutzbar gemacht und Kosten für Bergbaufolgeschäden von den Konzernen übernommen werden.
- Bis der notwendige Ausstieg aus der Kohle erreicht ist, müssen die Folgen des Abbaus von Braunkohle begrenzt werden. DIE LINKE tritt für eine Reform des Bundesberggesetzes ein: Statt der Konzerninteressen müssen Umwelt und die Menschen vor Ort an erster Stelle stehen und mitentscheiden können.
Die Bundesregierung muss sich im Zusammenhang mit den Neufestlegungen der EU-Klimaschutz und -Energieziele für 2030 für eine Minderung der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990 um 70 Prozent einsetzen, für einen Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch von 45 Prozent. Auf EU-Ebene unterstützen wir eine Reform des EU-Eimissionshandels, die zur Anhebung der Klimaschutzziele in den Emissionshandelssektoren auf die Paris-Ziele führt und jeden Missbrauch des Instruments ausschließt.
In erneuerbare Energie investieren, Energiekonzerne entmachten
Die Energiewende wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie sozial gerecht und durch die Bürger*innen selbst gestaltet ist. Die Vormachtstellung von Großkonzernen in der Energieversorgung muss ein Ende haben. Die Energieversorgung wollen wir bürgernah und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge organisieren. Energieversorgung muss dem Gemeinwohl dienen und der Profitgewinnung entzogen werden. Ungerechtfertigte Industrierabatte bei Ökosteuer, Netzentgelten, Emissionshandel und im Erneuerbare- Energien-Gesetz müssen entfallen. Sie verhindern den notwendigen Strukturwandel.
- Strom- und Wärmenetze müssen in die öffentliche Hand überführt und demokratisch kontrolliert werden. Wenn der Kohleausstieg beschleunigt wird, eine dezentralisierte Energieversorgung mit Speichersystemen vorangebracht werden, ist ein deutlich geringerer Netzausbau erforderlich, als er jetzt – getrieben von den Profitinteressen der Übertragungsnetz- und Kohlekraftwerksbetreiber – geplant ist.
- Wir wollen eine strukturelle Reform des EEG und den Ökostromanteil auf 80 Prozent bis zum Jahr 2030 und auf 100 Prozent bis 2035 erhöhen. Ausschreibungssysteme sind für Bürgerenergieprojekte teuer, riskant und aufwändig, wir lehnen sie für Projekte bis 18 Megawatt bzw. fünf Anlagen ab.
- DIE LINKE unterstützt eine regional ausgerichtete und in der Bevölkerung verankerte Energiewende: Energiegenossenschaften, Bioenergiedörfer, Institutionen, Einrichtungen, Betriebe, Städte und Kommunen sollen das gesetzliche Recht zum Kauf der von ihnen für die Energieerzeugung und -eigenversorgung genutzten Netze erhalten. In kommunalen Stadtwerken unter direkter demokratischer Mitgestaltung der Bevölkerung können ökologische Energiegewinnung und bezahlbare Energiepreise am besten erreicht werden. Gleichzeitig werden damit Grundlagen zur Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen geschaffen.
- Investoren müssen verpflichtet werden, den Standortgemeinden eine Beteiligung an neuen Windkraftanlagen, Photovoltaik-Kraftwerken und Energiespeichern anzubieten. Die Kommunen werden dadurch Mitbesitzer; sie müssen an finanziellen Erträgen der Ökostrombetreiber beteiligt werden.
- Um die Energiewende voranzubringen, wollen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Hauseigentümer, Mietervereinigungen, Betriebe und Kommunen verbessern, die ihre Energieversorgung in die eigene Hand nehmen wollen. DIE LINKE unterstützt Mieterstromkonzepte einer hauseigenen Stromversorgung durch BHKWs im Keller oder Photovoltaik-Anlagen (PV) auf dem Dach.
Atomausstieg sofort: Der Ausstieg aus der Atomkraft muss im Grundgesetz festgeschrieben und alle in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke müssen unverzüglich abgeschaltet werden. Atomexporte müssen verboten werden. Die Konzerne müssen die Langzeitkosten der Atomwirtschaft tragen.
- Wir setzen uns für den Atomausstieg in Europa und überall auf der Welt ein. Es braucht einen gesamteuropäischen Plan zur Stilllegung von Atomkraftwerken ein. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) darf keine Atomkraftwerke im Ausland fördern.
- Den Im- und Export von Uranbrennstoffen wollen wir verbieten. Die Fertigung von Uranbrennstoff in den vom Atomausstieg bislang ausgenommenen Anlagen in Gronau und Lingen muss beendet werden.
- Keine Lagerung im »Endlager« Schacht Konrad in Salzgitter. Atommülllagerung kann nicht von oben und ohne Beteiligung der Betroffenen und der Aktiven in der Anti-Atom-Bewegung durchgesetzt werden. Dafür braucht es umfassende Mitsprache und Klagerechte in allen Phasen des zu entwickelnden Suchverfahrens.
- Die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau von Atomanlagen müssen die Atomkonzerne tragen. Dabei muss ein Höchstmaß an Strahlenschutz und Sicherheit gelten sowie eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht werden, die über das bestehende Atomrecht hinausgeht.
- Öffentliche Gelder, inklusive der Pensionsrücklagen und Rentenkassen, müssen umgehend aus Anlagen in Unternehmen der fossil-atomaren Energiebranche abgezogen werden. Öffentliche Institutionen dürfen nicht in fossile und nukleare Energieunternehmen investieren.
Mit ihrem Fracking-Erlaubnisgesetz vom Juni 2016 haben CDU/CSU und SPD Fracking im Sandgestein (sogenannten Tight-Gas-Reservoirs) zugelassen. Wir wollen Fracking ohne Ausnahmen verbieten. Wir setzen uns dafür ein, dass auch die unterirdische Verpressung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) verboten wird.
Strompreise stärker kontrollieren, Energie für alle bezahlbar machen
Der Zugang zu Energie ist ein Grundrecht. DIE LINKE will Energiearmut verhindern. Zahlungsschwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dass Menschen im Dunkeln sitzen oder frieren müssen.
- Für den durchschnittlichen Verbrauch von elektrischem Strom, Wasser und Heizenergie wollen wir preisgünstige Sockeltarife schaffen. Was über den durchschnittlichen Verbrauch hinausgeht, wird teurer. Damit werden Anreize zum Stromsparen geschaffen.
- Die Strompreise müssen stärker überwacht und sozial gerechter ausgerichtet werden. Der zuständigen staatlichen Behörde soll daher ein Beirat zur Seite gestellt werden, in dem Verbraucher, Umwelt- und Sozialverbände sowie Gewerkschaften vertreten sind.
- Wir wollen ein bundeseinheitliches Netzentgelt einführen, damit die Netzendgelte in Regionen mit vielen Ökostromanlagen nicht höher sind.
- Wir fordern ein schärferes Wettbewerbs- und Kartellrecht für Strom-, Gas- und Mineralölkonzerne.
Wir wollen den Strompreis für Endkunden senken, indem wir
- die Förderung erneuerbarer Energien zu wesentlichen Teilen über den Bundeshaushalt statt über die jetzige Ökostromumlage (EEG-Umlage) finanzieren;
- die Stromsteuer für private Verbraucherinnen und Verbraucher senken.
- Für zusätzliche Entlastungen wollen wir einen Energiewendefonds auflegen, der die Zahlungsverpflichtungen der Stromkunden über die EEG-Umlage über einen längeren Zeitraum streckt.
- Wohngeld soll auf der Basis der Bruttowarmmiete gezahlt und um eine Komponente für Stromkosten erweitert werden. Die Heiz-, Warmwasser- und Stromkostenkomponente soll im Wohngeld zu einer Energiekostenkomponente (»Klimawohngeld«) zusammengeführt werden. So wird Energiearmut verhindert.
- Wir wollen eine Öko-Abwrackprämie für Haushaltsgeräte auflegen. Die zu ersetzenden Elektrogeräte müssen mindestens zehn Jahre alt sein und die Neugeräte die beste Stromeffizienz aufweisen. Die Förderprämie für den Austausch von Kühlschränken in einkommensschwachen Haushalten wird von 100 auf 200 Euro erhöht, für Wasch- und Spülmaschinen werden zusätzliche Förderprämien gezahlt.
Am preiswertesten und umweltfreundlichsten ist immer noch die Kilowattstunde, die nicht bereitgestellt werden muss. Es braucht Standards, die den maximalen Energieverbrauch von Produkten, Produktionsweisen und Gebäuden vorgeben. Es dürfen nur langlebige, reparaturfreundliche, material- und energiesparende Produkte hergestellt werden. Ein Energieeffizienzfonds kann den Umstieg auf eine effiziente Wirtschaftsweise unterstützen und sozial begleiten. Der Altbaubestand muss bis 2040 nahezu vollständig energetisch saniert werden. Dafür wollen wir sozial gerechte Förderprogramm ausbauen (vgl. Kap. Keine Profite mit der Miete).
Grüner Wasserstoff als neue Säule der Energiewende
In den Bereichen, in denen es klimapolitisch sinnvoll ist (vgl. Kapitel Industriepolitik), muss in Deutschland produzierter Wasserstoff gefördert werden. Wo die Elektrolyse-Anlagen öffentlich gefördert sind, müssen sie mindestens anteilig öffentlich betrieben werden.
- Wir wollen jährlich 1 Mrd. Euro einsetzen zur Förderung der Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft (vor allem für Industrieanwendungen, wie bei Stahl- und Zementindustrie, sowie für den Flug- und Seeverkehr).
- Neue Anwendungen müssen über die gesamte Erzeugungs- und Anwendungsphase weniger Treibhausgase ausstoßen als fossile Alternativen und der Einsatz von Wasserstoff ist auf "grünen" (also mittels Ökostroms hergestellten) Wasserstoff zu beschränken. Wir setzen uns für ein Importverbot von nicht ökologischem Wasserstoff ein.