Für eine Digitalisierung, die den Menschen nützt
Die »digitale Agenda« der Bundesregierung ist eine milliardenschwere Subvention für private Konzerne. Die Unternehmerverbände trommeln für weitere »Flexibilisierung der Arbeit«, für den 12-Stunden-Tag. Sie nutzen das Schlagwort »Digitalisierung« für die Aushöhlung von Rechten der Beschäftigten und als Gelegenheit, Gelder für öffentliche Dienstleistungen in ihre privaten Gewinne umzulenken. Auf dem neoliberalen Weg wird Digitalisierung zu mehr prekärer Arbeit führen, die soziale Spaltung vertiefen, werden Überwachungstechnologien und wachsende Konzernmacht die Demokratie weiter aushöhlen. Die Digitalisierung kann Chancen eröffnen für ein selbstbestimmtes Arbeiten und Leben, für neue Formen der Demokratie, die Alltag, Arbeit und Wirtschaft einschließen. Wir wollen die Gestaltung der Digitalisierung den Profitinteressen der Konzerne entziehen, um Wohlstandgewinn für alle Menschen zu nutzen. Wem die Digitalisierung nutzen wird, wird jetzt entschieden.
Beschäftigte und ihre Rechte stärken
Unternehmen investieren in digitale Arbeitsabläufe, um sich Gewinnmöglichkeiten zu sichern. Dies führt oft zu Leistungsverdichtung und höherem Arbeitsdruck. Die Arbeit in digitalen Umgebungen ermöglicht eine umfassende Leistungs- und Verhaltenssteuerung. Digitale Plattformen werden genutzt, um Arbeitsrechte auszuhebeln. Es geht aber auch anders: Mit erweiterten Mitbestimmungsrechten von Betriebsräten und Beschäftigten können die Arbeitsbedingungen humanisiert und Produktivitätsgewinne zur Arbeitszeitverkürzung genutzt werden.
- Die Arbeitszeiten in Vollzeit wollen wir verkürzen auf um die 30h pro Woche bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich. (vgl. Kapitel Arbeit)
- Das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten bei der Einführung von IT-Systemen muss verteidigt und erweitert werden. Betriebsräte müssen über Personalbemessung, Leistungsanforderungen und Weiterbildungsbedarf mitbestimmen können und Initiativrecht erhalten. Die Auslagerungsmöglichkeit auf Subunternehmen muss eng begrenzt werden und an die Fortgeltung der bestehenden Tarifverträge gebunden werden. (vgl. Kapitel Arbeit)
- Beschäftigten über Plattformen müssen die vollen Arbeits- und Mitbestimmungsrechte sowie Sozialversicherungsschutz zustehen. Das betrifft auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitsgeräte zu stellen. Der Betriebsbegriff muss angepasst und die Beschäftigteneigenschaft klargestellt werden. Beschäftigte müssen das Recht haben, für mehrere Plattformen gleichzeitig zu arbeiten. Wir wollen Plattformgenossenschaften und städtisch betriebene Plattformen als Alternativen fördern.
- Wir brauchen ein Beschäftigtendatenschutzgesetz, was die Verwertung der im Arbeitsprozess digital anfallenden personenbezogenen Daten sowie die Überwachung von Beschäftigten verbietet und Verstöße hart sanktioniert.
- Wir wollen die Rechte von Beschäftigten bei mobilem Arbeiten stärken (vgl. Arbeitskapitel)
Die Macht der Internetkonzerne und Plattformen begrenzen
Technologische, wirtschaftliche und politische Macht ist extrem konzentriert in den Händen einiger weniger Digitalkonzerne. Die "big five" Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft vereinen enormes Vermögen, Markt- und Monopolmacht und vereinen über 6,4 Billionen US-Dollar (Juli 2020). In der Pandemie habe sie ihre Profite weiter gesteigert.
Wir brauchen ein Kartellrecht, das auch online scharfe Zähne hat: Monopole müssen zerschlagen werden. Wir setzen auf commons-basierte, öffentliche Alternativen. Auf europäischer Ebene setzen wir uns für Richtlinien und Vorgaben zur Entflechtung markbeherrschender Monopole ein. Es darf nicht den Profitinteressen dieser Konzerne überlassen bleiben, über Inhalte und Zugang zum Internet zu entscheiden.
- Digitalkonzerne müssen in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind. Dazu fordern wir eine stärkere Quellen-Besteuerung der Gewinne am Ort der Umsätze und die Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben (z.B. Lizenzgebühren), die einzig der Gewinnverlagerung dienen. Das Konzept der virtuellen Betriebsstätte muss auch im Steuerrecht verankert werden.
- Wir wollen Plattformgenossenschaften und öffentlich-rechtlich betriebene Plattformen als Alternativen fördern.
- Durch ein Plattformstrukturgesetz wollen wir Selbstbegünstigung der IT-Unternehmen verbieten, Datenschutz sicherstellen sowie die Interoperabilität und Portabilität der Nutzerdaten sanktionsbewährt garantieren. Alle Dienste und Software müssen verpflichtet werden, den Import und Export aller persönlichen Inhalte in offenen Formaten anzubieten. Hersteller müssen verpflichtet werden, auf ihren Plattformen die Nutzung von zu ihren Diensten konkurrierenden Angeboten zu ermöglichen. Kommerzielle Softwarehersteller müssen verpflichtet werden, alle gängigen, insbesondere freie, Betriebssysteme und Plattformen zu unterstützen, um fairen Wettbewerb zwischen Betriebssystemen zu ermöglichen und Nutzer*innen die freie Wahl zwischen Betriebssystemen zu lassen. Auch kommerzielle Software muss ihren Quellcode mitliefern.
- Plattformen wie Airb’n‘b müssen verpflichtet werden, ihre Daten mit öffentlichen Behörden zu teilen. Wettbewerber sollen ein Zugriffsrecht auf Daten von Plattformen bekommen, die auf Datenmonopolen basieren. Das kann über Treuhänder organisiert werden (vgl. Kap. Keine Profite mit der Miete, AirB’n’B wollen wir durch eine gemeinwohlorientierte Alternative für rein privaten Wohnungstausch ersetzen)
- Wir brauchen eine spezielle Regulierungsbehörde, die die Durchsetzung dieser Regeln von Amts wegen überwacht.
- Den Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir ab. Plattformbetreiber dürfen nicht das Recht erhalten und verpflichtet werden, ohne richterlichen Beschluss Inhalte zu löschen. Gegen Desinformation brauchen wir eine stärkere Medienbildung statt Zensur.
Digitale Infrastruktur für alle ausbauen
Die profitorientierten Mobilfunkbetreiber haben kein Interesse an einen flächendeckenden Netzausbau. Zahlreiche Menschen leben immer noch in Regionen mit schlechtem Internet. Der Netzausbau muss am Ziel zuverlässiger Versorgung und am Gemeinwohl orientiert erfolgen. Dazu müssen die Breitband- und Mobilfunknetze in öffentliche Hand.
- Wir fördern den Breitbandausbau mit Investitionen von 10 Mrd. Euro jährlich in ganz Deutschland. Die Kommunen sollen die Netze dauerhaft in öffentlicher Hand betreiben können. Alle Wohnungen sollen Breitbandanschluss erhalten.
- Wir wollen ein einheitliches Mobilfunknetz aus einer Hand, das eine Abdeckung der gesamten Fläche sichert. Ein einziges Netz ist kostengünstiger als parallele Netze und mindert die Strahlenbelastung. Die Konkurrenz der Anbieter führt zu unnötigen Mehrfachstrukturen und an vielen Stellen zu gar keinem Netz. Netzausbau und -betrieb soll deswegen durch die öffentliche Hand erfolgen. Das sichert eine flächendeckend gute Netzqualität sowie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die kommunalen Betreiber der Glasfasernetze sind geeignete Betreiber der Mobilfunknetze. Die Telekommunikationsunternehmen können ihre Dienstleistungen über das öffentliche Netz anbieten.
DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass alle Menschen digitale und andere öffentliche Dienstleistungen nutzen können, unabhängig vom Geldbeutel.
- Telefonanschluss und Internet dürfen (wie Strom und Wasser) nicht abgestellt werden, auch nicht bei Zahlungsrückständen.
- Die Kosten dafür müssen in der Mindestsicherung berücksichtigt werden, ebenso für die Endgeräte.
- Jedes Kind braucht von der Schule ein kostenfreies Leihgerät, sofern das für den Unterricht erforderlich ist (vgl. Kap. Eine Schule für alle).
- Wir wollen soziale Zentren in den Dörfern schaffen, die als Orte der Begegnung dienen und grundlegende Dienstleistungen wie Post, Bank und öffentlichen Internetzugang anbieten.
- Es muss immer auch nicht-digitale Arten geben, eine Karte fürs Schwimmbad und einen Termin beim Amt etc. zu bekommen, um sicherzustellen, dass niemand ausgeschlossen wird. Digitale Angebote dürfen nicht zum Personalabbau im Öffentlichen Dienst genutzt werden.
- Netzneutralität muss grundgesetzlich gesichert werden.
Datensicherheit und Datenschutz
Wenn künftig Autos, Kühlschränke und Stromzähler digital gesteuert und ans Internet angeschlossen sein sollen, muss schon bei der Herstellung ausgeschlossen werden, dass Unberechtigte sich Zugriff zu diesen Systemen, den Daten der Nutzer*innen und die Kontrolle über diese Geräte verschaffen können. Dies betrifft besonders IT- und IoT-Geräte in Haushalten und kleinen Betrieben. Die Verantwortung für Sicherheit der Daten muss "by design" gewährleistet sein und darf nicht auf die Nutzenden abgeschoben werden. Wir müssen darauf vertrauen können, dass unser Online-Banking, unsere elektronische Krankenakte, unsere Daten beim Einwohnermeldeamt sicher sind und nicht in falsche Hände geraten. Anbieter der Technologien müssen die Sicherheit wirksam gewährleisten.
- Die Haftung der Hersteller für IT-Sicherheit muss ausgeweitet werden. Wir brauchen gesetzliche Vorgaben zur Produktlebensdauer, die den verpflichtenden Support und Sicherheitsupdates für diese Zeit vorsehen. Per Verordnung muss Security by Design und by Default vorgeschrieben werden. Das sollte auf europäischer Ebene als Regelung für den Binnenmarkt umgesetzt werden. Eine Sicherheitszertifizierung muss obligatorisch für den Marktzugang werden.
- Der Aufkauf von Informationen über und Beauftragung von Sicherheitslücken in IT-Systemen durch Geheimdienste muss verboten und unterbunden werden. Sie gefährden die Datensicherheit für alle, da diese Sicherheitslücken nicht nur vom Staat, sondern auch von Kriminellen ausgenutzt werden. Es muss eine Verpflichtung zur Meldung von Sicherheitslücken geben.
- Im Bereich der Abwehr von Angriffen auf die IT-Sicherheit haben Bundeswehr und Geheimdienste nichts zu suchen, stattdessen werden wir die Unabhängigkeit des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) stärken und dessen Beratungs- und Hilfsangebote ausbauen.
- Wir wollen Open-Source Betriebssysteme und Anwendungen staatlich fördern, um die Nachvollziehbarkeit, Kontrolle und Verbesserung der Systeme zu ermöglichen. Open-Source-Software ist nicht per se fehlerfrei, aber durch die Möglichkeit der Überprüfung können Fehler leichter gefunden und ausgebessert werden. Mit der Förderung von Open-Source-Technologien lässt sich auch die Entwicklung von Privacy by Design-Standards verbinden. Öffentliche Stellen müssen zur Anwendung von Open-Source-Technologie verpflichtet werden, um die vollständige Kontrolle der Behörden und der Gesellschaft über die eingesetzte Technologie zu gewährleisten. Der Bund soll Geld zur Verfügung stellen, um auch die Instandhaltung von freien Betriebssystemen zu unterstützen.
Die Interessen von Nutzer*innen und Beschäftigten am Schutz ihrer Daten und Persönlichkeitsrechte bei der Nutzung digitaler Systeme müssen gegenüber dem Interesse von Unternehmen, durch Aus- und Verwertung möglichst großer Datenmengen neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, verteidigt werden.
- Die Nutzung öffentlich zugänglicher Angebote muss möglich sein, ohne dass die dabei entstehenden Daten wirtschaftlich verwertet werden. Geschäftsbedingungen müssen allgemeinverständlich sein und die Möglichkeit beinhalten, die Weiterverwendung der anfallenden Daten auszuschließen.
- Die Datenschutzgrundverordnung muss verstärkt werden. Unternehmen, die gegen Datenschutzauflagen verstoßen, müssen konsequent sanktioniert werden. Dazu gehört eine Stärkung der Datenschutzbeauftragten.
- Es muss möglich sein, Daten zwischen verschiedenen sozialen Netzwerken zu teilen. Wir wollen eine Wahlfreiheit durch Interoperabilität und Daten-Portabilität zwischen den Diensten.
Bürger*innenrechte schützen
DIE LINKE steht für eine lebendige Demokratie. Die digitalen technischen Möglichkeiten dürfen nicht zur Überwachung der Bürger*innen und zur Einschränkung der Demokratie genutzt werden.
- Videoüberwachung im öffentlichen Raum muss beendet werden. Automatisierte Gesichtserkennung wollen wir verbieten. Wir brauchen stattdessen mehr Personal im öffentlichen Raum und auf Bahnhöfen, das Unterstützung, Auskunft und Hilfe bieten kann. Eine Kamera verhindert keine Gewalt und leistet keine Hilfe.
- Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung (Staatstrojaner) müssen verboten werden. Wir wollen das Recht auf Privatsphäre, sichere Kommunikation und Verschlüsselung gesetzlich verankern. Spyware aller Art muss verboten werden.
- Die Vorratsdatenspeicherung von IP-Verbindungen, Mobilfunk-Verbindungen und -Standorten muss verboten werden.
- Den Export von Überwachungstechnologie wollen wir verbieten. Den Einsatz autonomer Waffensysteme und bewaffneter Drohnen wollen wir verhindern.
- Digitale Gewalt im Netz muss juristisch anerkannt und verfolgt werden. Dazu muss auch Kompetenz in den Strafverfolgungsbehörden aufgebaut werden. Dies betrifft besonders digitale Gewalt gegen Frauen.
- Die Impressumspflicht für Nicht-kommerzielle Webseiten wollen wir abschaffen, um die Privatsphäre von Webseite-Betreiber*innen zu sichern.
- Nicht-kommerzielle Vervielfältigung und Nutzung urheberrechtlich geschützter Software darf nicht kriminalisiert werden.
Der Einsatz sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) muss gesetzlich reguliert werden, um gemeinwohlorientierte Anwendung sicherzustellen.
- Sämtliche für Entscheidungen eingesetzte Algorithmen müssen von unabhängigen Stellen geprüft werden auf Diskriminierungsfreiheit. Der Einsatz diskriminierender Algorithmen ist zu verbieten.
- Entscheidungen über Sozialleistungsansprüche, Kreditwürdigkeit oder Prognosen über Straffälligkeit dürfen nicht automatisiert getroffen werden. Sie müssen stets von Menschen verantwortet werden. Die Betroffenen brauchen ein Einspruchsrecht gegenüber menschlichen Entscheidungsbefugten.
Wir wollen Whistleblower schützen. Personen und Strukturen, die Missstände und Verbrechen in der Wirtschaft und demokratischen Institutionen öffentlich machen sind für eine Demokratie lebensnotwendig.
Digitale Zahlungssysteme regulieren
Internetkonzerne entwickeln für ihre Hard- und Softwareprodukte eigene Bezahlsysteme (z.B. ApplePay, AmazonPay, Ebay-Tochter PayPal u.a.) oder denken über die Etablierung eigener Parallel-Währungen nach (vgl. Diem-Pläne von Facebook u.a.).
- Digitale Zahlungen ermöglichen die Erstellung von persönlichen Profilen und Rückschlüsse auf sensible persönliche Informationen. Daher wollen wir das Recht auf Bargeldzahlung gesetzlich verankern.
- Den Datenschutz bei digitalen Zahlungsdiensten regulieren wir streng. Wir setzten eine strikte Trennung zwischen Bezahl- und andere Diensten der Konzerne durch.
- Geld und Währung müssen Teil staatlicher Souveränität bleiben, eine schleichende Privatisierung lehnen wir ab. Innovative Finanz-Technik-Unternehmen (FinTechs) bzw. ihre Plattformen müssen mit ihren Finanzdienstleistungen denselben Regeln und Gesetzen unterworfen sein, wie sie heute für konventionelle Finanzdienstleister (z.B. Banken und Versicherungen) gelten.
- Um im Dickicht der neuen Zahlungsinstrumente das Heft nicht aus der Hand zu geben, soll die Europäische Zentralbank einen "Digitalen Euro" einführen. Der digitale Euro soll ein von der EZB garantiertes gesetzliches Zahlungsmittel sein, das Privatpersonen in begrenztem Maße und unverzinst auf Girokonten bei der EZB halten können. Nur mit einer öffentlichen Alternative zu den Bezahlsystemen der großen (Internet-)Konzerne und ihrer Daten-Sammelwut lässt sich glaubwürdig ein europäisches Datenschutzniveau durchsetzen.
Öffentliche Verwaltung demokratisch und digital
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung erleichtert neue Beteiligungsformate für demokratische Entscheidungen, transparente Entscheidungen und schnellere Bearbeitung von Bürgeranliegen. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Abhängigkeit von externen Dienstleistern und der Einsatz externer "Berater" noch steigt. Vielmehr brauchen die öffentlichen Verwaltungen ausreichend kompetentes Personal, um die digitalen Systeme zu warten, Bürger*innen bei der Benutzung zu unterstützen und die persönliche Ansprechbarkeit für alle Anliegen sicherzustellen.
- Wir wollen neue digitale Beteiligungsformate für demokratische Entscheidungen entwickeln.
- Das Informationsfreiheitsgesetz wollen wir zu einem Transparenzgesetz ausbauen. Mit öffentlichen Mitteln erstellte Informationen müssen für die nicht-kommerzielle Nutzung öffentlich zugänglich sein. Im Rahmen kommerzieller Smart City Projekte gesammelte Daten müssen der Allgemeinheit kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
- In der öffentlichen Verwaltung muss freie Software eingesetzt werden. Dies dient sowohl der Datensicherheit als auch dem Schutz öffentlicher und demokratischer Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit. Das Vergaberecht muss entsprechend angepasst werden. Durch öffentliche Gelder finanzierte Software muss als freie Software veröffentlicht werden und zur Wiederverwendung in anderen Städten und Verwaltungen sowie durch gemeinwohlorientierte Akteure zur Verfügung stehen.
- Öffentliches WLAN in den Kommunen und öffentlichen Gebäuden wollen wir durch Freifunk ausbauen, statt durch kommerzielle Anbieter.
- Öffentliche Verwaltungen und Meldeämter dürfen keine persönlichen Daten von Menschen ohne deren ausdrückliche Zustimmung an Dritte weitergeben.
Schule und Lernen digital unterstützen
Digitale Anwendungen können sowohl bei der Organisation des Schulbetriebs wie z.B. Organisation von Stundenplänen, als auch beim Lernen selbst helfen. Allerdings können und sollen die besten Programme keine Lehrpersonen ersetzen, sondern diese und die Schüler*innen beim Lernen unterstützen. Die Anwendung von Lernsoftware muss deshalb immer in ein pädagogisches Konzept eingebettet sein. Gesundheitliche und lernpsychologische Aspekte sind dabei zu berücksichtigen. Die Auseinandersetzung mit verbreiteten Technologien ist darüber hinaus ein wichtiger Teil des Erlernens gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit. Digitalisierung in der Bildung darf jedoch nicht zum Einfallstor der Profitinteressen von Unternehmen werden.
- Die Lehr- und Lernmittelfreiheit muss an allen Schulen auch für digitale Geräte sichergestellt sein. (àsiehe Bildungskapitel) In den Schulen muss eine ausreichende Netzwerkinfrastruktur geschaffen werden.
- Die Lehrer müssen fortgebildet werden in der Benutzung dieser Technologien und in Datenschutzfragen. Sie müssen die Technik anwenden und verstehen können, um sie mit den Schüler*innen zu benutzen und sie ihnen erklären zu können.
- Keinesfalls darf Lernsoftware als Ersatz für fehlendes Lehrpersonal eingesetzt werden. Der Einsatz von Digitaltechnologie in Schulen erfordert einen höheren Personalbedarf für die Betreuung der Schüler*innen wie der Software und Geräte. Dafür müssen zusätzliche Stellen geschaffen werden.
- Bildungspläne, Unterrichtskonzeptionen und Medieneinsatz müssen vom Menschen, von Lernprozessen und von den konkreten Fächern her konzipiert werden. Medien und Digitaltechnik sind Hilfsmittel im Unterricht und kein Selbstzweck. Die Frage ist nicht, was man mit der neusten Digitaltechnik alles machen kann, sondern was die Lehrkraft an medialer und technischer Unterstützung braucht.
- Eingesetzte Lernsoftware darf keine personenbezogenen Daten der Schüler*innen (wie z.B. Lernfortschritte) außerhalb der Schule speichern. Sämtliche erhobenen Daten müssen transparent und für alle nachweislich auf den Geräten verbleiben oder im Rahmen der Schule gespeichert werden. Aus diesen Daten dürfen keine Prognosen zum Lernerfolg oder der weiteren schulischen Entwicklung erstellt werden. Schüler*innen haben darüber hinaus ein Recht auf Vergessen, insbesondere da es sich um Minderjährige und Heranwachsende handelt.
- Die Abhängigkeit von bestimmten IT-Unternehmen und Produkten muss von vornherein vermieden werden. Die verwendete Software soll Open-Source-Standards entsprechen. Lernprogramme müssen öffentlich erstellt, verwaltet und gewartet werden.
- Technikfolgenabschätzung in der Bildungsforschung muss gefördert werden, um Erfahrungen, Chancen und Risiken beim Lernen mit digitalen Technologien offenzulegen.
Die Medien- und Datenschutzkompetenz der Kinder und Jugendlichen muss möglichst früh gefördert werden.
Auch in der Erwachsenenbildung muss der digitale Kompetenzaufbau gefördert werden. In der Wissenschaft wollen wir Open Access für Forschungsergebnisse standardmäßig durchsetzen. Was mit öffentlichen Geldern gefördert wurde, muss der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung stehen.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Den Einsatz digitaler Anwendungen und Methoden zur bloßen Kostenreduzierung unter Inkaufnahme der Verschlechterung der medizinischen Versorgung lehnen wir ab. Staatliche Gelder sollen zuerst in die Bekämpfung des Pflegenotstands und die Verbesserung der Gesundheitsinfrastruktur fließen, statt sie für die Subventionierung von IT-Konzernen zu nutzen.
- Ein Umlegen der Kosten von digitalen Anwendungen auf die Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen lehnen wir ab. Nur ein radikaler Richtungswechsel in der Finanzierung von Gesundheit und Pflege durch eine Pflegevollversicherung verhindert, dass die Digitalisierung für einen Abbau von Stellen genutzt wird.
- Krankenkassen dürfen die von den Versicherten eingezahlten Rücklagen nicht für die Spekulation auf Erfolge von IT-Konzernen nutzen!
- Für eHealth-Anwendungen brauchen wir evidenzbasierte Bewertungsverfahren analog zu anderen medizinischen Behandlungsmethoden. Routinedaten der Krankenkassen, Registerdaten oder andere Daten, die direkt im Behandlungsalltag anfallen ("real world data") sind dafür nicht geeignet. Für Gesundheits-Apps braucht es eine Zertifizierung nach staatlichen Vorgaben.
- Die informationelle Selbstbestimmung von Patient*innen und Versicherten muss jederzeit gewahrt werden. Die Weitergabe der sensiblen Daten durch die Anwender*innen muss immer wohl informiert und freiwillig erfolgen und darf auch langfristig nicht Grund für Diskriminierung oder Voraussetzung für den Zugang zu einer wirksamen Behandlung sein.
- Daten, die mit der elektronischen Gesundheitskarte erhoben werden, dürfen nicht zentral gespeichert oder online weitergegeben werden. Eine Einsicht Dritter in die dezentralen Datenspeicher ohne Zustimmung der Versicherten muss verboten bleiben.
- Digitale Gesundheitstechnologien sollen barrierefrei gestaltet und allen Menschen diskriminierungsfrei zugänglich sein, dies geht Hand in Hand mit angemessenen Weiterbildungs- und Informationsmöglichkeiten für die Versicherten, Patient*innen und Heilmittelerbringer. Die Mitsprache der betroffenen Menschen mit Pflegebedarf, einschließlich eines Vetorechts für z.B. den Robotereinsatz, ist zu definieren.
Den ÖPNV für alle durch Digitalisierung verbessern
Die Auto- und IT-Konzerne sind dabei, sich mit digitalen Mobilitätsangeboten neue Profitquellen zu erschließen. Sie wollen ihre Angebote als Teil des ÖPNV definieren und Gelder für den öffentlichen Nahverkehr in ihre Kassen umleiten. Dabei kann der öffentliche Verkehr durch eine digitale Verkehrssteuerung attraktiver werden. Die Übersicht und Buchbarkeit aller Verkehrsangebote in einer App sind überfällig. Der Einsatz geteilter Kleinfahrzeuge (Ride-Sharing) kann eine sinnvolle Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs sein. Auch autonom fahrende Fahrzeuge können unter Umständen nützlich sein. Kurzfristig sind sie jedoch keine Alternative, da für die Ermöglichung autonomen Fahrens enorme Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur erforderlich sind (flächendeckendes 5G-Netz, digitale Ausstattung von Ampeln und Verkehrsschildern, Abtrennung von Radwegen und Gehwegen etc.). Dieses Geld wird stattdessen dringend für eine wirkliche Verkehrswende hin zu mehr Bussen, Straßenbahnen, Zügen, häufigeren Takten, mehr Personal und guten Arbeitsbedingungen benötigt. Entscheidend ist der Wille, öffentliche Mobilität für alle verfügbar zu machen und aus Steuermitteln so zu finanzieren, dass es nicht auf den Geldbeutel des Einzelnen ankommt, ob ökologische Alternativen erschwinglich sind. Und dass Kommunen nicht auf Grund leerer Kassen auf profitorientierte Angebote der Konzerne zurückgreifen müssen. Denn wirklicher Klimaschutz im Verkehr lässt sich nicht mit digitalen PKW-Flotten erreichen.
- Wir setzen uns ein für eine öffentliche Mobilitätsplattform, auf der alle Angebote aus allen Verkehrsverbünden sichtbar und buchbar sind. Perspektivisch muss diese Plattform alle europäischen Regionen einbeziehen.
- Die dabei anfallenden Daten dürfen nur aggregiert öffentlich gemacht werden. Keinesfalls dürfen anonymisierte Daten der Nutzer*innen öffentlich gemacht werden, da auch anonymisierte Bewegungsprofile Rückschlüsse auf konkrete Personen erlauben. Die Pflicht zur Bereitstellung von aggregierten Verkehrsdaten betrifft selbstverständlich auch alle privaten Anbieter von Verkehrsdienstleistungen.
- Die Zugänglichkeit zu allen Verkehrsangeboten auch ohne Smartphone und App muss möglich bleiben, um nicht Menschen auszuschließen, die Smartphones und Computer nicht nutzen können oder möchten. In zu regelmäßigen Zeiten verkehrende Straßenbahnen und Busse können auch Kinder und Behinderte selbständig einsteigen. Das muss auch in einer digitalisierten Verkehrswelt erhalten bleiben.
- Preissysteme, die im ÖPNV nach gefahrenen Kilometern und Tageszeit abrechnen, lehnen wir ab. Sie ermöglichen gewinnorientierten und (teil)privaten Anbietern wie Moia höhere Profite, aber machen die Nutzung für die meisten Menschen teurer. Das Auch die sogenannte "letzte Meile" muss im ÖPNV-Ticket inbegriffen sein. Ticketpreise müssen sinken, perspektivisch für alle kostenlos sein.
- Bei Ausschreibungen bzw. Vergabe öffentlichen Verkehrs an private Anbieter sind zwingend geltende Tarifverträge einzuhalten, um gute Arbeitsbedingungen zu sichern. DIE LINKE setzt sich für bundesweit gültige Flächentarifverträge im Nahverkehr ein.
- Soweit selbstfahrende Fahrzeuge eingesetzt werden, muss die Begleitung durch menschliches Personal zwingend sichergestellt werden, dass in Notsituation unmittelbar Hilfe leisten kann und Menschen mit Behinderung beim Besteigen und Verlassen des Fahrzeugs helfen kann. Wir brauchen auch endlich wieder Personal auf allen Bahnhöfen. Kameras und Informationssäulen bieten keine Unterstützung und keinen Schutz in Notfällen!
Nachhaltige Digitalisierung: ökologisch und sozial
Die Digitalisierung erfordert einen hohen Energie- und Ressourcenverbrauch für Rechenzentren und Endgeräte. Dies betrifft sowohl den benötigten Strom als auch die erforderlichen Rohstoffe. Zudem sind die Arbeitsbedingungen in vielen Ländern im Rohstoffabbau, in der Herstellung der Geräte und auch im IT-Service oft schlecht. Viele neue Technologien sind zwar energieeffizient, doch werden die Einsparungen durch größere Endgeräte, höhere Auflösung, stärkere Nutzung und kürzere Lebensdauer der Geräte wieder aufgefressen. Durch diesen "Rebound-Effekt" steigen sowohl der Rohstoffbedarf als auch der Stromverbrauch deutlich an. Soll dieser zunehmende Stromverbrauch ökologisch erzeugt werden, um das Klima nicht weiter zu schädigen, werden umso mehr Windkraftanlagen, Solarfelder und Wasserkraftwerke gebaut werden müssen – die ihrerseits Flächen, Material, seltene Metalle und Energie für ihre Herstellung verbrauchen. Ein zunehmender Bedarf an Rohstoffen, die aus anderen Ländern kommen, erhöht in einer kapitalistischen Welt auch die Kriegsgefahr. DIE LINKE setzt sich deshalb für eine gesellschaftliche Diskussion darüber ein, in welchen Bereichen wir digitale Anwendungen nutzen wollen, und wo dies im Sinne des Umweltschutzes, des Schutzes der Arbeits- und Menschenrechte sowie im Rahmen einer international gerechten Handelspolitik neu geregelt werden muss.
- Für die öffentliche Beschaffung müssen strenge sozial-ökologische Vorgaben gelten in Bezug auf Arbeits- und Umweltschutz in den Herstellerländern, Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Unternehmen, die gegen ihre Sorgfaltspflicht in der Lieferkette verstoßen, müssen von öffentlichen Aufträgen und der Außenwirtschaftsförderung ausgeschlossen werden (vgl. Lieferkettengesetz im Kap. Global gerecht)
- Für digitale Endgeräte brauchen wir gesetzliche Vorgaben zur Mindestlebensdauer, Energieeffizienz, modularem Aufbau, Reparierbarkeit durch Nutzer*innen und Werkstätten sowie verpflichtenden Software-Updates und Ersatzteilverfügbarkeit. (Ökodesignvorgaben, vgl. Kap. Verbraucherschutz) Bei Streaming- und Video-on-Demand-Diensten müssen Vorgaben für energiesparende Standard-Einstellungen gemacht werden.
- Für Batterien und Elektrogeräte soll durch Einführung eines Pfandsystems die wirksame Rückführung der Rohstoffe in den Produktionskreislauf und Wiederverwertung der Bestandteile ermöglicht werden. Reparatur und Wiedernutzung müssen Vorrang vorm Recycling der Materialien haben. (vgl. Kapitel Klima- und Umweltschutz))
- Die Abwärme von Rechenzentren muss verpflichtend zur Gebäudeheizung (Nah- und Fernwärmeversorgung) eingesetzt werden.
- Für die Softwareprogrammierung müssen Vorgaben zur energiesparenden Programmierung erfolgen. Das Prinzip der Datensparsamkeit muss gesetzlich wirksam verankert werden. Neben der Erfüllung des Datenschutzes senkt dies auch den Stromverbrauch digitaler Anwendungen.